Auschwitz-Erlass

Als Auschwitz-Erlass wird der Erlass des Reichsführers SS Heinrich Himmler vom 16. Dezember 1942 bezeichnet, mit dem die Deportation der innerhalb des Deutschen Reichs lebenden Sinti und Roma angeordnet wurde, um sie als Minderheit – anders als bei vorausgegangenen individuellen oder kollektiven Deportationen – komplett zu vernichten. Er bildete die Grundlage für die Deportation von 23.000 Menschen aus fast ganz Europa (darunter etwa 13.000 aus Deutschland und Österreich) in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Dort richtete die SS im Lagerabschnitt B II e ein so genanntes „Zigeunerfamilienlager“ ein.[1]

Der Erlass selbst ist nicht überliefert. Er wird jedoch in einem geheimen „Schnellbrief“ Arthur Nebes an die Kriminalpolizeileitstellen vom 29. Januar 1943 in Bezug genommen:

„Auf Befehl des Reichsführers SS vom 16.12.42 – Tgb. Nr. I 2652/42 Ad./RF/V. – sind Zigeunermischlinge, Rom-Zigeuner und nicht deutschblütige Angehörige zigeunerischer Sippen balkanischer Herkunft nach bestimmten Richtlinien auszuwählen und in einer Aktion von wenigen Wochen in ein Konzentrationslager einzuweisen. Dieser Personenkreis wird im nachstehenden kurz als 'zigeunerische Personen' bezeichnet. Die Einweisung erfolgt ohne Rücksicht auf den Mischlingsgrad familienweise in das Konzentrationslager (Zigeunerlager) Auschwitz.“

Der Schnellbrief trug den Titel „Einweisung von Zigeunermischlingen, Rom-Zigeunern und balkanischen Zigeunern in ein Konzentrationslager“[2] und ging nachrichtlich unter anderem an das sog. Eichmannreferat (Amt IV Ref. B 4) im Reichssicherheitshauptamt. Mit der Verhaftung wurde das Eigentum aller Personen wie mitgebrachte Kleidung, Lebensmittelvorräte, Barmittel, Wertpapiere sowie Ausweise konfisziert. Nach Überstellung in das Lager sollten die zuständigen Einwohnermeldeämter zur Berichtigung der Melderegister von dem „Wegzug“ verständigt werden.

Gleichartige Deportationsanordnungen ergingen am 26. und 28. Januar 1943 für die „Donau- und Alpenreichsgaue“ sowie am 29. März 1943 für den Bezirk Bialystok, das Elsass, Lothringen, Belgien, Luxemburg und die Niederlande. Gegenüber den Burgenlandroma und den ostpreußischen Sinti und Roma verwies das RKPA auf ähnliche Anweisungen vom 26. Mai bzw. 1. Oktober 1941 sowie vom 6. Juli 1942.

Eine entscheidende Vorstufe des Erlasses war das Himmler-Thierack-Abkommen vom 18. September 1942. Es betrifft die Aufgabenteilung zwischen den NS-Behörden und wurde zwischen Reichsjustizministerium (Thierack) und dem obersten Polizeichef (Himmler) vereinbart. Es lautete:

„Asoziale Elemente aus dem Strafvollzug, Juden, Zigeuner, Russen, Ukrainer [sollen] an den Reichsführer SS zur Vernichtung durch Arbeit ausgeliefert werden.“

Darin werden die Justizbehörden (Gefängnisse, Untersuchungshaftanstalten etc.) angewiesen, Gefangene direkt und ohne Verfahren an die SS zu überstellen. Die Tötungsabsicht durch Zwangsarbeit ist in kaum einem anderen offiziellen Papier so offen dargestellt worden.

  1. Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma, Heidelberg, siehe: [1].
  2. Gesamtwortlaut des Schnellbriefs vom 29. Januar 1943 bei: Udo Engbring-Romang: Die Verfolgung der Sinti und Roma in Hessen zwischen 1870 und 1950. Frankfurt am Main 2001, S. 342–347. Vgl. auch: Michael Zimmermann: Rassenutopie und Genozid. Die nationalsozialistische „Lösung der Zigeunerfrage“. Hamburg 1996, S. 301ff. Die Originalquelle z. B. Institut für Zeitgeschichte, München, unter der Signatur Dc 17.02, Bl. 322–327. Im Internet kursiert eine Falschfassung. In Titel und Text des Schnellbriefs wurde die Gruppe der „Jenischen“ hinzugefügt. Dazu: A. D'Arcangelis: Die Jenischen – verfolgt im NS-Staat 1934–1944. bzw. Nevipe-Rundbrief des Rom e. V. Nr. 23 (Juni 2008) (PDF; 523 kB).

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