CO2-Budget

Emissionsbudget und nötige Pfade zur Emissionsreduktion, um das im Übereinkommen von Paris vereinbarte Zwei-Grad-Ziel ohne negative Emissionen einzuhalten, abhängig vom Emissionspeak.[1] Je länger wirksame Klimaschutzmaßnahmen hinausgeschoben werden, desto schneller ist das verbleibende Budget erschöpft und desto stärker müssen die Emissionen in der Zukunft reduziert werden. Umgekehrt ermöglichen schnelle Emissionsreduzierungen in der Gegenwart, den Zeitpunkt, an dem Nullemission erreicht sein müssen, weiter in die Zukunft zu schieben.[2]

Das CO2-Budget, auch Kohlenstoffbudget, Carbon Budget oder Emissionsbudget, bezeichnet – im Kontext von Klimapolitik und globalen Klimaschutzmaßnahmen – die Gesamtmenge an CO2 aus anthropogenen Quellen, die beginnend mit der Industrialisierung oder einem anderen Referenzzeitpunkt maximal emittiert werden darf, wenn mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eine globale Erwärmung über eine definierte Grenze hinaus vermieden werden soll.[3] Im Kontext der klimawissenschaftlichen Darstellung des Kohlenstoffkreislaufs versteht man unter einem CO2- bzw. Kohlenstoffbudget eine Kohlenstoffbilanz, also eine budgetmäßige Aufstellung der Kohlenstoffflüsse von und zu Kohlenstoffspeichern wie etwa der Atmosphäre.[4][5]

Es besteht ein annähernd linearer Zusammenhang zwischen der kumulierten Gesamtmenge an emittiertem CO2 und der dadurch verursachten Temperaturerhöhung, solange man keinem Kipppunkt des Klimasystems zu nahe kommt. Daher muss für einen wirksamen Klimaschutz die kumulierte Menge an ausgestoßenen Treibhausgasen limitiert werden.[6][7] Gibt man die maximal emittierbare Menge mit Beginn der Industrialisierung als Referenzzeitpunkt an, so spricht man vom Gesamtbudget. Bei einem jüngeren Referenzzeitpunkt ist dies das Restbudget zu diesem Zeitpunkt.[8] Das CO2-Budget wird gelegentlich als „verbleibender atmosphärischer Deponieraum“ verbildlicht.[9] Um das Budget einzuhalten, muss die gesamte Energiewirtschaft vollständig dekarbonisiert werden.[10] Entscheidend für das Ausmaß des Klimawandels ist also nicht der gegenwärtige Ausstoß an Treibhausgasen, wie oft fälschlich angenommen wird, sondern die Gesamtmenge an Emissionen, die über die Zeit anfällt. Daraus ergibt sich, dass ein Hinauszögern des Klimaschutzes auf einen späteren Zeitpunkt zu einem stärkeren Klimawandel führt.[11] Umgekehrt bedeutet dies im Hinblick auf den Klimaschutz, dass für jedes Jahr Verzögerung in der Gegenwart anschließend umso schnellere und tiefgreifendere Klimaschutzmaßnahmen ergriffen werden müssen.[12]

Der Weltklimarat IPCC gibt das globale CO2-Restbudget in seinem 2018er Sonderbericht mit 420 Gigatonnen an, wenn das 1,5-Grad-Ziel (bezüglich der mittleren globalen Oberflächentemperatur) mit 66 % Wahrscheinlichkeit erreicht werden soll. Bei gleichbleibendem Ausstoß wäre dieses Budget in sieben Jahren aufgebraucht (Anfang November 2020).[13][14] Im Jahr 2018 wurden weltweit rund 42 Gigatonnen CO2 emittiert, mit steigender Tendenz.[13] Nach Überprüfung neuester Daten und Verfeinerungen schätzen Lamboll et al. (2023), dass das verbleibende Kohlenstoffbudget für eine 50%ige Chance, die Erwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen, mit Stand Januar 2023 etwa 250 GtCO2 betrug. Dies entspricht ca. sechs Jahren aktueller CO2-Emissionen. Unsicherheiten bei dieser Schätzung ergeben sich aus Nicht-CO2-Emissionen (z. B. Methan) und potenzieller Erwärmung nach Erreichen von Netto-null-CO2-Emissionen.[15]

Eine Arbeitsgruppe der Science for Future hält das CO2-Budget für ein inzwischen aus der Zeit gefallenes Narrativ. Angesichts der zunehmend verloren gehenden natürlichen Kohlenstoffsenken[16] gäbe es kein Restbudget mehr, wenn mit akzepablen Eintrittswahrscheinlichkeiten gerechnet wird.[17]

In der Klimapolitik gehören nationale Kohlenstoffbudgets[5] und die Frage, inwiefern diese mit einem globalen Budget in Einklang stehen, zu den Schlüsselthemen. Für Deutschland, das als Industrieland höhere Pro-Kopf-Emissionen als der Weltdurchschnitt produziert, ermittelte der Klimaforscher Stefan Rahmstorf – ausgehend von eben diesen Zahlen und 67 % Wahrscheinlichkeit für die Begrenzung der Erderwärmung gemäß Übereinkommen von Paris auf maximal 1,75 Grad – ein Restbudget von 9,7 Gigatonnen. Von diesem Restbudget, das Anfang 2016 zur Verfügung stand, seien bis Anfang 2019 bereits 2,4 Gigatonnen verbraucht worden (zirka 0,8 Gigatonnen pro Jahr), sodass mit Stand Anfang 2019 noch 7,3 Gigatonnen zur Verfügung stünden. Um das Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten, müsste Deutschland beispielsweise seine Emissionen jedes Jahr linear um 6 % reduzieren und bis 2036 Nullemissionen erreichen.[18] Der Sachverständigenrat für Umweltfragen kommt zu ähnlichen Werten und nennt für 2020 unter den gleichen Annahmen ein Restbudget von 4,2 Gigatonnen für die im Parisabkommen angestrebte Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad mit einer 50-%-Chance und 6,6 Gigatonnen für die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,75 Grad. Dieses Budget wäre bei konstanten Emissionen auf gegenwärtigem Niveau, nämlich 0,8 Gigatonnen pro Jahr, 2025 beziehungsweise für 1,75 Grad 2028 aufgebraucht, bei einer linearen Reduktion auf Nullemissionen im Jahr 2032 beziehungsweise 2038.[19] Hingegen sehen die 2019 aufgestellten Klimaschutzpläne der Bundesregierung vor, dass Deutschland bereits bis zum Jahr 2030 rund 7,5 Gigatonnen Kohlendioxid freisetzt. Damit würde Deutschland, das Klimaneutralität für 2050 anstrebt, noch vor dem Jahr 2030 das oben genannte Budget überschreiten, obwohl bei dieser Budgetberechnung für Deutschland sehr vorteilhafte Annahmen getroffen wurden.[20]

  1. Christiana Figueres u. a.: Three years to safeguard our climate. In: Nature. Band 546, 2017, S. 593–595, doi:10.1038/546593a.
  2. Stefan Rahmstorf: Berechnung zum Emissionsbudget. Wie gut ist das neue Klimaziel der EU-Kommission?. In: Spiegel Online, 4. Oktober 2020. Abgerufen am 4. Oktober 2020.
  3. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen IPCC_pol_2014.
  4. Matthias Schaefer: Bilanz. In: Wörterbuch Ökologie. Spektrum Akademischer Verlag, September 2011.
  5. a b Valérie Masson-Delmotte u. a.: Annex I: Glossary. In: J. B. R. Matthews u. a. (Hrsg.): Global Warming of 1.5°C. An IPCC Special Report on the impacts of global warming of 1.5°C above pre-industrial levels and related global greenhouse gas emission pathways, in the context of strengthening the global response to the threat of climate change, sustainable development, and efforts to eradicate poverty. Stichwort „Carbon budget“.
  6. Joeri Rogelj et al.: Paris Agreement climate proposals need a boost to keep warming well below 2 °C. In: Nature. Band 534, 2016, S. 631–639, doi:10.1038/nature18307.
  7. Ottmar Edenhofer, Susanne Kadner, Jan Minx: Ist das Zwei-Grad-Ziel wünschenswert und ist es noch erreichtbar? Der Beitrag der Wissenschaft zu einer politischen Debatte. In: Jochem Marotzke, Martin Stratmann (Hrsg.): Die Zukunft des Klimas. Neue Erkenntnisse, neue Herausforderungen. Ein Report der Max-Planck-Gesellschaft. Beck, München 2015, S. 69–92, hier S. 85.
  8. IPCC AR6, WG I, Annex VII: Glossary, Stichwort Carbon Budget
  9. Ottmar Edenhofer, Brigitte Knopf und Gunnar Luderer: Globale Klimapolitik jenseits harmloser Utopien. In: Wirtschaftspolitische Blätter. Nr. 4, 2009.
  10. Peter U. Clark et al.: Consequences of twenty-first-century policy for multi-millennial climate and sea-level change. In: Nature Climate Change. Band 6, 2016, S. 360-269, doi:10.1038/NCLIMATE2923.
  11. Gregor Hagedorn et al.: The concerns of the young protesters are justified. A statement by Scientists for Future concerning the protests for more climate protection. In: GAIA. Band 28, Nr. 2, 2019, S. 79–87, doi:10.14512/gaia.28.2.3.
  12. Umweltprogramm der Vereinten Nationen: Emissions Gap Report 2019, S. XV. Abgerufen am 26. November 2019.
  13. a b So schnell tickt die CO2-Uhr. Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change, Dezember 2018, abgerufen am 1. November 2019.
  14. J. Rogelj, D. Shindell, K. Jiang, S. Fifita, P. Forster, V. Ginzburg, C. Handa, H. Kheshgi, S. Kobayashi, E. Kriegler, L. Mundaca, R. Séférian, and M.V. Vilariño: 2018: Mitigation Pathways Compatible with 1.5°C in the Context of Sustainable Development. In: Valérie Masson-Delmotte u. a. (Hrsg.): Global Warming of 1.5°C. An IPCC Special Report on the impacts of global warming of 1.5°C above pre-industrial levels and related global greenhouse gas emission pathways, in the context of strengthening the global response to the threat of climate change, sustainable development, and efforts to eradicate poverty. 2018, 2.2.2 The Remaining 1.5°C Carbon Budget, S. 108.
  15. Robin D. Lamboll et al.: Assessing the size and uncertainty of remaining carbon budgets. In: Nature Climate Change. 2023, doi:10.1038/s41558-023-01848-5.
  16. Sven Linow et al.: Kurzimpuls – Perspektiven auf negative CO₂-Emissionen. Diskussionsbeiträge der Scientists for Future, 12. Dezember 2022, abgerufen am 13. Februar 2024.
  17. Jörg Tremmel et al: Negative Emissionen: Eine neue Phase der Klimapolitik zur langfristigen Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1°C über vorindustriellem Niveau. Arbeitsgruppe der Science for Future, Oktober 2023, abgerufen am 13. Februar 2024.
  18. Wie viel Kohlendioxid bleibt Deutschland noch?. In: Spektrum.de, 2. April 2019. Abgerufen am 3. April 2019.
  19. https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/01_Umweltgutachten/2016_2020/2020_Umweltgutachten_Kurzfassung.pdf?__blob=publicationFile&v=5 Studie des Sachverständigenrates für Umweltfragen. Abgerufen am 13. Dezember 2020.
  20. Eine Milliarde Tonnen zu viel. In: taz, 20. November 2019. Abgerufen am 13. Dezember 2020.

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