Calcidius (auch Chalcidius geschrieben) war ein spätantiker Gelehrter und Philosoph. Er lebte im 4. und vielleicht noch im frühen 5. Jahrhundert im Westen des Römischen Reichs.
Als Platoniker wollte Calcidius Platons Naturphilosophie, die in dem Dialog Timaios in griechischer Sprache dargelegt ist, einem gebildeten Lesepublikum, das nicht mehr über hinreichende Griechischkenntnisse verfügte, zugänglich und verständlich machen. Zu diesem Zweck übersetzte er einen Teil des Timaios ins Lateinische und verfasste einen ausführlichen lateinischen Kommentar zu dem anspruchsvollen, erläuterungsbedürftigen Text. Dabei berücksichtigte er auch christliche Vorstellungen. Inwieweit er sich selbst zum Christentum bekannte, ist unklar und in der Forschung umstritten.
Calcidius betonte seine kritische Distanz zu den früheren Platon-Auslegern. Sein besonderes Interesse galt der mathematischen Grundlage der Weltordnung, dem Zusammenhang zwischen den unterschiedlichen Bestandteilen des Universums und der Problematik der menschlichen Willensfreiheit in einer von der Vorsehung gelenkten Welt. Ein Kerngedanke seiner Kosmologie und Anthropologie ist das Konzept der Analogie zwischen dem Kosmos und dem Menschen. Dabei erscheint der Mensch als Abbild des Kosmos, als Welt im Kleinen.
Im Mittelalter wurde das Werk des Calcidius intensiv studiert. Es bildete jahrhundertelang die Hauptgrundlage der direkten Platonrezeption im lateinischen Abendland und gab Impulse zur Verschmelzung von platonischer und christlicher Kosmologie. Seine starke Nachwirkung erstreckte sich auch auf den frühen Renaissance-Humanismus. Die moderne Forschung befasst sich insbesondere mit der Wirkungsgeschichte und der Frage nach den heute verlorenen Quellen, die Calcidius zur Verfügung standen.