Carnuntum (Zivilstadt)

Übersichtsplan des antiken Siedlungsgeländes
Büste des Mark Aurel (um 165 n. Chr.) im Museum Carnuntinum
Anthropomorphes Gefäß, das eine Frau in norischer Tracht darstellt (2. Jahrhundert; gefunden in einem Töpferofen des Auxiliarkastells)

Die Zivilstadt Carnuntum oder Karnuntum lag direkt am pannonischen Limes, entwickelte sich parallel zum Legionslager und war seit Beginn des 2. Jahrhunderts n. Chr. Verwaltungszentrum der römischen Provinz (Ober-)Pannonien. Sie zählt zu den bedeutendsten und am umfangreichsten erforschten antiken Ausgrabungsstätten in Österreich und liegt auf den Gemeindegebieten von Petronell-Carnuntum und Bad Deutsch-Altenburg, Bundesland Niederösterreich.

Die Region um ein noch nicht lokalisiertes keltisches Siedlungs- und Machtzentrum, das der Historiker Velleius Paterculus als „Carnunto, qui locus regni Norici“ (Carnuntum im Königreich Norikum) bezeichnete[1], wurde ab dem 1. Jahrhundert n. Chr. zu einem der zentralen Sammelpunkte für die Expansion der Römer ins freie Germanien (Barbaricum). An den Ausläufern der Kleinen Karpaten entwickelte sich bald einer der wichtigsten Siedlungs- und Verteidigungsschwerpunkte in den nördlichen Provinzen des Reiches. Ihren rasanten Aufstieg verdankte die Stadt unter anderem ihrer günstigen Lage am Kreuzungspunkt zweier transkontinentaler Handelsrouten sowie an den beiden Militärlagern, in denen zeitweise bis zu 6500 Mann stationiert waren. Die Stadt stand während der römischen Herrschaft über Pannonien wiederholt im Mittelpunkt bedeutender historischer Ereignisse.

Carnuntum bestand aus mehreren Siedlungsbereichen, dem Legionslager, einer Militärsiedlung (canabae legionis) und der sogenannten Zivilstadt, die sich außerhalb einer Sicherheitszone von 2,2 km (entspricht einer keltischen Leuge) vom Legionslager aus gegen Westen ausbreitete. Die ältesten archäologischen Zeugnisse aus römischer Zeit datieren in die Mitte des 1. Jahrhunderts. In der Regierungszeit des Claudius entstand parallel zu einem festen Holz-Erde-Lager mit angeschlossenem Lagerdorf die Zivilsiedlung. Zu Beginn des 2. Jahrhunderts lebten dort bereits rund 50.000 Menschen. Unter Trajan stieg sie zur Provinzhauptstadt von Oberpannonien auf. Sein Nachfolger Hadrian gewährte ihr in weiterer Folge das Recht zur Selbstverwaltung. Während der Markomannenkriege führte Kaiser Mark Aurel von dort aus seine Feldzüge in die Stammesgebiete nördlich der Donau. Ende des 2. Jahrhunderts wurde dort der oberpannonische Statthalter Septimius Severus von den Donaulegionen zum Kaiser ausgerufen und die Zivilstadt danach in den Rang einer Kolonie erhoben. Dies hatte einen erneuten, langanhaltenden wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt zur Folge. 308 n. Chr. hielten die Tetrarchen dort die Kaiserkonferenz von Carnuntum ab. In der Mitte des 4. Jahrhunderts verwüstete ein schweres Erdbeben die Region. Diese Naturkatastrophe im Verbund mit der stetigen Reduzierung der Grenztruppen und den Auswirkungen der Völkerwanderung leiteten schließlich den wirtschaftlichen und demografischen Niedergang der Stadt ein. Im späten 4. Jahrhundert diente der schon weitgehend verlassene Ort Kaiser Valentinian I. als Heerlager für einen Feldzug gegen transdanubische Stammesverbände. Im Laufe des 5. Jahrhunderts wurde Carnuntum von seinen romanischen Bewohnern endgültig aufgegeben. Zwischen Limes- und Bernsteinstraße liegt das sogenannte Heidentor, ein Triumphalmonument aus dem 4. Jahrhundert und heute das Wahrzeichen der Region Carnuntum.

  1. Velleius Paterculus: Historia Romana 2, 109, 5.

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