Cromer-Komplex

System Serie Stufe ≈ Alter (mya)
Q
 
u
 
a
 
r
 
t
 
ä
 
r
Holozän Megha­layum 0

0,004
Nordgrip­pium 0,004

0,008
Grönlan­dium 0,008

0,012
Pleisto­zän Taran­tium 0,012

0,126
Ionium
(Chibanium)
0,126

0,781
Calabrium 0,781

1,806
Gelasium 1,806

2,588
früher früher früher älter

Der Cromer-Komplex (Synonym: Cromerium) ist ähnlich wie der Saale-Komplex ein mehrere Warmzeiten und Kaltzeiten umfassender Zeitabschnitt des Pleistozäns, dessen Gliederung noch unsicher ist. Es ist der ältere Teil des Mittelpleistozäns (Ionium) und reicht von der Brunhes-Matuyama-Umkehr des Erdmagnetfeldes an der Grenze zum Calabrium, jüngerer Teil des Unterpleistozäns, vor rund 0,786 Millionen Jahren bis zum Beginn der Holstein-Warmzeit vor 0,300 Millionen Jahren. In den Zeitabschnitt des Cromer-Komplexes wird die Günz-Kaltzeit, die erste Vereisung der Alpen gestellt.[1]

Von Clement Reid wurde für eine bei der Ortschaft Cromer in der Grafschaft Norfolk von Ostengland am Küstenkliff unter einer Grundmoräne anstehende geringmächtige präglaziale Schichtenfolge aus limnischen und marinen Sedimenten im Jahre 1882 der Begriff „Cromer Forest-bed“ als stratigraphische Einheit verwendet.[2] Dieser Begriff fand im niederländischen und norddeutschen Raum schnell weite Verbreitung als Bezeichnung für interglaziale Sedimente, die unmittelbar vor der ältesten nordischen Inlandvereisung des Quartärs, der Elster-Kaltzeit, abgelagert worden waren. Nach den erst in den 1960er Jahren begonnenen weiteren Untersuchungen des Cromer Forest-bed[3][4] sind an den Lokalitäten in Ostengland immer nur Sedimente einer Warmzeit mittelpleistozänen Alters vorhanden, diese könnten aber ein unterschiedliches Alter haben.[5]

In den Niederlanden wird der Cromer-Komplex mittlerweile in vier selbstständige Interglaziale gegliedert, die Interglaziale I (Waardenburg) bis IV (Noordbergum).[6][7] Das älteste Interglazial I gehört aber vermutlich noch ins Altpleistozän und unsicher ist, mit welchem die warmzeitliche Serie von Ostengland altersgleich ist. Außerdem sind von den Interglazialen meist nur Teile vorhanden, so dass die Korrelation mit den Vorkommen im angrenzenden nordwestdeutschen Gebiet unsicher ist.

In Nordwestdeutschland umfasst, basierend auf der über dem Salzstock von Gorleben erbohrten vertikalen Abfolge,[8] der Cromer-Komplex nach derzeitigen Stand fünf Warmzeiten und vier Kaltzeiten.[1] Die dabei angetroffenen ältesten warmzeitlichen Schichten sollen mit der bei Elze erbohrten Osterholz-Warmzeit altersgleich sein.[9] Darüber liegende Schichten mit einer warmzeitlichen Vegetationsabfolge könnten mit der bei Hunteburg erbohrten Hunteburg-Warmzeit[10] parallelisiert werden. Höher folgen weitere zwei Schichtfolgen mit einem warmzeitlichen Vegetationsbild, die noch nicht mit Namen belegt wurden. Den oberen Abschluss bilden Sedimente, die mit der bei Bilshausen angetroffenen Rhume-Warmzeit[11] parallelisiert werden.[5]

Die beim ehemaligen Dorf Mosbach, heute zum Stadtgebiet von Wiesbaden gehörend, in den Mosbach-Sanden im Jahre 1845 entdeckte eiszeitliche Großsäugerfauna hat ebenfalls ein cromerzeitliches Alter, es ist eine der bedeutendsten Fossillagerstätten Deutschlands. Die Mosbach-Sande gehören zu einer komplizierten Abfolge von Ablagerungen des Rheins und des Mains.[12] Die Hauptfundschicht wurde nach den Untersuchungen der Kleinsäugerfauna im „Cromer-Interglazial III“ abgelagert.[13]

In Mitteldeutschland sind bisher nur zwei Vorkommen aus dem Cromer-Komplex bekannt geworden. Die in der Ziegeleigrube Voigtstedt bei Artern palynologisch nur lückenhaft erhaltene Voigtstedt-Warmzeit[14] ist in ihrer Altersstellung unsicher, meist wird sie in den älteren Zeitabschnitt des Cromer-Komplexes gestellt. Der in der Ziegeleigrube Mahlis bei Wermsdorf in den 1970er Jahren näher untersuchte und 10 m mächtige Löß[15][16] umfasst größere Teile des Cromer-Komplexes. Die basale Tonmudde wurde nach dem palynologischen Befund unter kaltzeitlichem Klima abgelagert und sie enthält die karpologischen Reste einer reichen Flora. In den basalen Schichten wurde die Bruhnes-Matuyama-Umkehr nachgewiesen und bedeckt wird die durch fossile Böden gegliederte Lößserie von Grundmoräne. Während die Lößschichten in Kaltzeiten abgelagert wurden, sprechen die Merkmale der drei eingelagerten Paläoböden für ein warmzeitliches Klima. Die sich daraus ergebende Dreigliederung[17] kann derzeit mit der niederländischen und der nordwestdeutschen Gliederung des Cromer-Komplexes nicht in Übereinstimmung gebracht werden.

  1. a b Deutsche Stratigraphische Kommission, Hrsg.; Redaktion, Koordination und Gestaltung: M. Menning, A. Hendrich: Stratigraphische Tabelle von Deutschland 2016. Potsdam 2016 (bib.telegrafenberg.de)
  2. C. Reid: The geology of the country around Cromer. In: Memoirs of the Geological Survey of England and Wales. Sheet 68 E, London 1882, S. 1–143 (pubs.bgs.ac.uk)
  3. R. G. West, D. G. Wilson: Cromer Forest Bed Series. In: Nature. Band 209, London 1966, S. 497–498.
  4. P. L. Gibbard, R. G. West, W. H. Zagwijn, P. S. Balson, A. W. Burger, B. M. Funell, D. H. Jeffrey, D. H. De Jong, T. Van Kolfhofen, A. M. Lister, T. Meijer, P. E. P. Norton, R. C. Preece, J. Rose, A. J. Stuart, C. A. Whiteman, J. A. Zalasiewicz: Early and Middle Pleistocene correlations in the southern North Sea Basin. In: Quaternary Science Reviews. Band 10, Amsterdam 1991, S. 23–52.
  5. a b T. Litt, K.-E. Behre, K.-D. Meyer, H.-J. Stephan, S. Wansa: Stratigraphische Begriffe für das Quartär des norddeutschen Vereisungsgebietes. In: Eiszeitalter und Gegenwart, Quaternary Science Journal. Band 56, Heft 1–2, Hannover 2007, S. 7–65, 116–138.
  6. W. H. Zagwijn, H. M. Van Montfrans, J. G. Zandstra: Subdivision of the „Cromerian“ in The Netherlands, pollenanalysis, palaeomagnetism and sedimentary petrology. In: Geology en Mijenbow. Band 50, Amsterdam 1971, S. 41–58.
  7. W. H. Zagwijn: The Cromerian Complex Stage of the Netherlands and correlation with other areas in Europe. In: C. Turner (Hrsg.): The Middle Pleistocene in Europe. Balkema, Rotterdam 1996, S. 145–172.
  8. H. Müller: Altquartäre Sedimente im Deckgebirge des Salzstockes Gorleben. In: Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft. Band 137, Hannover 1986, S. 85–95.
  9. E. Grüger: Vegetationsgeschichtliche Untersuchungen an cromerzeitlichen Ablagerungen im nördlichen Randgebiet der deutschen Mittelgebirge. In: Eiszeitalter und Gegenwart. Band 18, Hannover 1968, S. 204–235.
  10. J. Hahne, H. Mengeling, J. Merkt, F. Grahmann: Die Hunteburg-Warmzeit („Cromer-Komplex“) und Ablagerungen der Elster-, Saale- und Weichsel-Kaltzeit in der Forschungsbohrung Hunteburg GE 58 bei Osnabrück. In: Geologisches Jahrbuch. Band A 134, Hannover 1994, S. 117–166.
  11. H. Müller: Eine pollenanalytische Neubearbeitung des Interglazialprofils von Bilshausen (Unter-Eichsfeld). In: Geologisches Jahrbuch. Band 83, Hannover 1965, S. 327–352.
  12. C. Hoselmann, T. Laupenmühlen, J. Bohaty, G. Radtke, G. Weber, M. Weidenfeller: Field Trip C (27 September 2018): Fluviatile und äolische Ablagerungen im Rhein-Main-Gebiet. In: DEUQUA Special Publications. Volume 1, Hannover 2018, S. 29–52 (deuqua-spec-pub.net)
  13. L. Maul, L. I. Rekovets, W.-D. Heinrich, T. Keller, G. Storch: Arvicola mosbachensis (Schmidtgen 1911) of Mosbach 2: abasic sample for the early evolution of the genus and a reference for further biostratigraphical studies. In: Senckenbergiana lethaea. Band 80, Stuttgart 2000, S. 129–147.
  14. K. Erd: Pollenanalytische Untersuchungen im Altpleistozän von Voigtstedt in Thüringen. In: Paläontologische Abhandlungen. Band A 2, Berlin 1965, S. 259–272.
  15. R. Fuhrmann: Die stratigraphische Stellung der Löße in Mittel- und Westsachsen. In: Zeitschrift für geologische Wissenschaften. Band 4, Heft 9, Berlin 1976, S. 1241–1270. (researchgate.net)
  16. R. Fuhrmann, W.-D. Heinrich, D. H. Mai, F. Wiegangk: Untersuchungen am präelsterkaltzeitlichen Löß von Mahlis (Bezirk Leipzig). In: Zeitschrift für geologische Wissenschaften. Band 5, Heft 6, Berlin 1977, S. 717–743. (researchgate.net)
  17. L. Eissmann: Grundzüge der Quartärgeologie Mitteldeutschlands (Sachsen, Sachsen-Anhalt, Südbrandenburg, Thüringen). In: Altenburger Naturwissenschaftliche Forschungen. Heft 7, Altenburg 1994, S. 55–135.

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