Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation

Hugo von Hofmannsthal 1910 auf einer Fotografie von Nicola Perscheid.

Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation ist der Titel einer Rede, die Hugo von Hofmannsthal am 10. Januar 1927 im Auditorium maximum der Universität München hielt. Der Erstdruck erfolgte im Juli 1927 in der Neuen Rundschau in Berlin, die erste Buchausgabe im selben Jahr als Sonderveröffentlichung im Verlag der Bremer Presse in München.

In dem Vortrag stellte er die Literatur und das Geistesleben Frankreichs der „deutschen Zerfahrenheit“ vorbildhaft gegenüber. Dabei beschwor er das Bild einer Nation auf dem Weg zur Einheit der literarischen Geisteskräfte. Von Friedrich Nietzsches Zeit- und Kulturkritik ausgehend, bestimmte er das Ideal der „Suchenden“, die sich von „herrschenden Zeitgedanken“ trennen, um neue Bindungen einzugehen. Einem reflexiv gebrochenen Traditionalismus verpflichtet und sich gleichzeitig von der Romantik abgrenzend, hielt Hofmannsthal die Bestände der Überlieferung nicht mehr für gegeben und glaubte, sie in den Zeiten der Geltungsverluste aktiv wiederherstellen zu müssen.

Das Werk gilt als Gipfelpunkt deutscher Essayistik[1] und kann neben seinem Drama Der Turm als bedeutendstes Zeugnis seiner letzten Lebensjahre angesehen werden. Mit seinem entschiedenen Tonfall und der eindringlichen Argumentation ist es ein Manifest, zumal Hofmannsthal seinen Gedankenaufbau am Schluss beschwörend in den visionären Verweis auf die geschichtsmächtige Konservative Revolution gipfeln lässt.

Forschung und Kritik weisen der Rede eine wichtige Rolle in seinem Werk zu, wenn sie ihr verschiedentlich auch Skepsis und Vorbehalte entgegenbringen und einwenden, dass sie propagandistisch missbraucht worden sei.[2]

  1. Raimund Lorenzer in: Kindlers Neues Literatur Lexikon. Band 7, Hugo von Hofmannsthal, Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation. München 1990, S. 1014.
  2. Hermann Rudolph: Kulturkritik und konservative Revolution. Zum kulturell-politischen Denken Hofmannsthals und seinem problemgeschichtlichen Kontext, zur Gestalt von Hofmannsthals kulturell-politischem Denken, Tübingen 1970, S. 211.

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