Erinnerung an die Marie A.

Erinnerung an die Marie A. ist ein Gedicht, das Bertolt Brecht in der Urfassung am 21. Februar 1920 auf einer Zugfahrt nach Berlin in sein Notizbuch schrieb.[1] Unter anderem publizierte der Autor es 1927 in der Sammlung Bertolt Brechts Hauspostille. Es thematisiert die Erinnerung an eine vergangene Liebe, die Brecht in das berühmte Bild von der vergehenden weißen Wolke gefasst hat.

Und über uns im schönen Sommerhimmel
War eine Wolke, die ich lange sah
Sie war sehr weiß und ungeheuer oben
Und als ich aufsah, war sie nimmer da.[2]

Das Bild der Wolke für die verblassende Erinnerung an das Gesicht der Geliebten ist ein literarisches Motiv, das der frühe Brecht regelmäßig eingesetzt hat. Das Namenskürzel „Marie A.“ im Titel bezieht sich auf Brechts Augsburger Jugendliebe Marie Rose Amann. Das Gedicht ist auf eine populäre Melodie der Jahrhundertwende geschrieben, die unter dem Titel Verlor’nes Glück bekannt war. Brecht hat es bereits vor der ersten Veröffentlichung seines Texts mehrfach zur Gitarre gesungen. Die Melodie kannte er sehr wahrscheinlich aus seiner Zusammenarbeit mit Karl Valentin, der die sentimentale Liedvorlage bereits parodistisch verarbeitet hatte.

Brecht-Biograph John Fuegi zählt das „täuschend schlichte Gedicht, leicht auswendig zu lernen …, zum Grundbestand der deutschen Literatur.“[3]

  1. Berliner und Frankfurter Ausgabe Bd. 11, Anm. 92,1, S. 318; Faksimile in: Bertolt Brecht: Notizbücher 1 bis 3 1918–1920, hg. von Martin Kölbel und Peter Villwock, Suhrkamp, Berlin 2012, S. 233f. Es handelt sich um die Seiten 32 recte und verso des Notizbuchs 3. Jürgen Hillesheim sieht die Behauptung, das Gedicht sei quasi nebenbei im Zug entstanden, als Selbststilisierung des jungen Brecht: „Spielerisch und abermals parodierend verleiht er sich damit den Gestus des idealistischen Dichters, der seine Eingebung einfach auf das Papier wirft, sofort in Lyrik umsetzt.“; vgl. Hillesheim: „Ich muss immer dichten“: zur Ästhetik des jungen Brecht, S. 262
  2. 1. Strophe, Vers 5–8, zitiert nach: Bertolt Brecht. Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe. Band 11, Gedichte 1, S. 92; Faksimile der Urfassung in: Werner Hecht (Hrsg.), Brecht, S. 39; Marcel Reich-Ranicki hat sein Brecht-Büchlein nach dem eindrücklichen sprachlichen Bild Ungeheuer oben. Über Bertolt Brecht betitelt, Berlin (Aufbau) 1996
  3. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen Fuegi.109.

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