Erste Homosexuellenbewegung

Das Denkmal für die erste homosexuelle Emanzipationsbewegung in Berlin, 2017

Die erste Homosexuellenbewegung (oft auch einfach Homosexuellenbewegung) war die erste Emanzipationsbewegung homosexueller Männer und Frauen von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1930er Jahre. Sie ist abzugrenzen von der Homophilenbewegung der 1940er bis 1970er Jahre und der Lesben- und Schwulenbewegung seit den 1970er Jahren. Trotz ihrer Bezeichnung bot die Homosexuellenbewegung auch anderen sexuellen Minderheiten Raum, insbesondere zeitgenössisch Transvestiten genannten Transpersonen.

Zwar lässt sich ein gleichgeschlechtliches Leben und Lieben in Europa auch vor dem 19. Jahrhundert nachweisen, dies beschränkte sich allerdings im Wesentlichen auf Möglichkeiten eines sozial und sexuell gleichgeschlechtlichen Umgangs innerhalb heteronormativ definierter Lebensweisen. Spezifische sexuelle Identitäten im modernen Sinn entstanden erst im späten 19. Jahrhundert.

Ideell gespeist durch erste Aktivisten sowie Mediziner und Juristen seit Mitte des 19. Jahrhunderts begann eine organisierte Bewegung ab 1896 in Berlin. Zentral war das Wissenschaftlich-humanitäre Komitee um Magnus Hirschfeld. Bereits zu dieser frühen Zeit gelang es der Bewegung in den Wissenschaften, der Politik und der Öffentlichkeit Gehör zu finden, beeinträchtigt wurde dies jedoch ab 1907 durch zunehmenden gesellschaftlichen Widerstand, ausgelöst durch die Harden-Eulenburg-Affäre. Die publizistische und aktivistische Arbeit erfuhr vor allem in der liberaleren Weimarer Republik ab 1919 mit der Gründung großer Verbände enormen Aufschwung. Zu dieser Zeit gelang es der Homosexuellenbewegung, in kürzester Zeit eine große Anzahl kultureller und sozialer Räume für sexuelle Minderheiten zu schaffen, sich entlang verschiedenster sexueller Identitäten weiter auszudifferenzieren und Teile der Öffentlichkeit zu erreichen.

Ihr geographischer Schwerpunkt lag in Deutschland. Außerhalb Deutschlands gab es Zentren homosexuellen Lebens unter anderem in Paris, London und New York, die aber auf intellektuelle und kulturelle Eliten beschränkt und kaum gesellschaftspolitisch wirksam waren. Die kleinen und oft fragilen Initiativen, die sich z. B. in den USA, Großbritannien oder Frankreich politisch engagierten, waren meist kurzlebig und ebenso eng angebunden an die Berliner Diskurse wie jene der deutschen Provinzen. Als aktiver Teil des Diskurses der Bewegung spielten sie nur eine geringe Rolle, rezipierten und verbreiteten deren Ideen allerdings und leisteten so national, lokal oder regional Pionierarbeit.

Nach der Zerschlagung der deutschen Homosexuellenbewegung durch den Nationalsozialismus 1933 wurde ihr Erbe in der Tschechoslowakei und der Schweiz noch kurze Zeit fortgeführt. Nach einer intellektuellen Transformation in der Schweiz der 1940er Jahre entstand in ihrer Nachfolge in den USA, Skandinavien und den Niederlanden die organisierte Homophilenbewegung, Sie blieb aber nicht zuletzt aufgrund restaurativer gesellschaftlicher Klimata und defensiver Strategien in ihrer Wirkung weit hinter der Homosexuellenbewegung zurück.

Aufgrund des sexualpolitisch weltweit weitgehend repressiven Klimas geriet die Homosexuellenbewegung in der Nachkriegszeit weitgehend in Vergessenheit, wiederentdeckt wurde sie erst durch Forscherinnen und Forscher aus der Lesben- und Schwulenbewegung ab den frühen 1970er Jahren.


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