Gesichtsfeld (Wahrnehmung)

Mit Gesichtsfeld bezeichnet man in der Physiologie, Augenheilkunde, Neurologie und allgemeiner der Wahrnehmungsforschung das Sichtfeld der Augen an ihrem natürlichen, anatomischen Ort, gewichtet mit der Lichtempfindlichkeit des zentralen Nervensystems, das die Lichtimpulse aufnimmt und auswertet. Das Gesichtsfeld repräsentiert sowohl den für ein unbewegtes Auge sichtbaren Raum[1] (im 2-dimensionalen Sinn)[2][3] als auch „[…] die Gesamtheit der optisch-sensorischen Reize, die […] zur Gehirnrinde geleitet und wahrgenommen werden.“[4]

Man unterscheidet das monokulare Gesichtsfeld des jeweils rechten und linken Auges allein, vom binokularen Gesichtsfeld, das die Summe der beiden monokularen Gesichtsfelder ist. Beim Menschen überlappen sich die Gesichtsfelder beider Augen in bestimmten Bereichen. Im binokularen Deckfeld[1] findet eine Fusion der beiden Bilder des rechten und linken Auges zu einem einzigen statt. Der sogenannte Horopter ist dabei eine Voraussetzung für die Entstehung von räumlichem Sehen. Die (wesentlich größere) horizontale Gesamtausdehnung des binokularen Gesichtsfelds beträgt bei einem Erwachsenen etwa 214° (±107° auf jeder Seite)[5][6][7][8] (s. auch[9]), die vertikale zirka 60°–70° nach oben und 70°–80° nach unten.[10][11][12][13][4]

Das Gesichtsfeld stellt den Gesamtbereich dar, in dem – ohne Zuhilfenahme von Augen- und Kopfbewegungen – visuelle Wahrnehmung möglich ist. Nur innerhalb des zentralen Bereichs, der Fovea, ist aber ein klares Erkennen möglich; die Wahrnehmungsqualität hinsichtlich Sehschärfe, Mustererkennung und Farbsehen sinkt, je peripherer die visuellen Reize liegen. Die Empfindlichkeit für bewegte Objekte nimmt zwar peripher ebenfalls ab, dies aber weniger als andere Sehfunktionen, so dass sich im peripheren Sehen gegenüber anderen Sehfunktionen eine relative Überlegenheit des Bewegungssehens ergibt. Zum Erkennen von Gefahrensituationen ist die Gesichtsfeldperipherie daher besonders wichtig. Das Dämmerungssehen hat ein Optimum bei etwa 20° Exzentrizität, weshalb man z. B. schwach leuchtende Sterne am besten sieht, wenn man an ihnen vorbeischaut.[3][14]

Die quantitative, funktionelle Prüfung und Vermessung des Gesichtsfeldes nennt man Perimetrie. Diese Untersuchung hat nicht nur für Erkrankungen des Sehsystems eine hohe Bedeutung, sondern kann auch einen Teil einer allgemeinen neurologischen Diagnostik sein.[15]

  1. a b Robert F. Schmidt, Gerhard Thews (Hrsg.): Physiologie des Menschen. 21., korrigierte Auflage. Springer Verlag, Berlin u. a. 1983, ISBN 3-540-12222-2.
  2. Raum ist hier im zweidimensionalen Sinn gemeint, als Kugelfläche um den Beobachter herum. Das Gesichtsfeld repräsentiert nicht die Tiefe des Umgebungsraumes, wie sie etwa mittels Stereosehen wahrgenommen wird.
  3. a b H. Strasburger: Indirektes Sehen. Formerkennung im zentralen und peripheren Gesichtsfeld. Hogrefe, Göttingen 2003.
  4. a b Theodor Axenfeld (Begründer), Hans Pau (Hrsg.): Lehrbuch und Atlas der Augenheilkunde. 12., völlig neu bearbeitete Auflage. Unter Mitarbeit von Rudolf Sachsenweger u. a. Gustav Fischer, Stuttgart u. a. 1980, ISBN 3-437-00255-4.
  5. Strasburger H, Jüttner M: Erratum. Corrections to: Strasburger, Rentschler & Jüttner (2011), Peripheral Vision and Pattern Recognition. In: Journal of Vision. Band 24, Nr. 15, April 2024 (JOV).
  6. Hans Strasburger: Seven myths on crowding and peripheral vision. In: i-Perception. Band 11, Nr. 2, 2020, S. 1–45, doi:10.1177/2041669520913052.
  7. In den meisten Lehrbüchern wird der horizontale Durchmesser des Gesichtsfeldes fälschlich zu klein angegeben, nämlich mit nur 180°. Der Grund liegt einerseits in der technischen Beschränkung moderner handelsüblicher Kugelperimeter, deren Messbereich zur Seite nur bis jeweils 90° oder noch weniger reicht. Gleichzeitig sind die verwendeten standardisierten Reize außerhalb 90° nicht sichtbar. Ein weiterer Grund ist wohl die fälschliche Annahme, dass Lichtstrahlen, die seitlich unter einem Winkel von 90° auftreffen (also tangential), gar nicht in das Auge gelangen können. Tatsächlich können sie jedoch sogar noch unter etwas größeren Winkeln als 90° seitlich auf die Hornhaut auftreffen und dennoch, durch deren Brechkraft, ins Auge hinein gelenkt werden.
  8. Traquair’s Abbildung, aus der die Größe des Gesichtsfeldes hervorgeht
  9. Ankit Mathur, Julia Gehrmann, David A. Atchison: Pupil shape as viewed along the horizontal visual field. In: Journal of Vision. Band 13, Nr. 6, 2013, S. 3 1-8.
  10. Henning Rönne: Zur Theorie und Technik der Bjerrrumschen Gesichtsfelduntersuchung. In: Archiv für Augenheilkunde. Band 78, Nr. 4, 1915, S. 284–301.
  11. Harry Moss Traquair: An Introduction to Clinical Perimetry. Henry Kimpton, London 1938, Kap. 1, S. 4–5.
  12. Ähnliche Grenzen sind bereits im 19ten Jahrhundert von Alexander Hueck berichtet worden: „Ich fand nach aussen von der Sehachse einen Umfang von 110°, nach innen nur 70°, nach unten 95°, nach oben 85°. Wir übersehen also, wenn wir den Blick in die Ferne richten, 220° des Horizontes.“ A. Hueck: Von den Gränzen des Sehvermögens. In: Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medicin. 1840, S. 82–97, hier S. 84.
  13. Robert H. Spector: Clinical Methods: The History, Physical, and Laboratory Examinations. 3. Auflage. 1990 (nih.gov).
  14. H. Strasburger, I. Rentschler, M. Jüttner: Peripheral vision and pattern recognition: a review. In: Journal of Vision. Band 11, Nr. 5, 2011, S. 1–82, doi:10.1167/11.5.13 (journalofvision.org).
  15. Claus-W. Wallesch (Hrsg.): Neurologie. (Diagnostik und Therapie in Klinik und Praxis). Elsevier, Urban & Fischer, München u. a. 2005, ISBN 3-437-23390-4.

From Wikipedia, the free encyclopedia · View on Wikipedia

Developed by Tubidy