Die Jahrmarktsorgel, auch Kirmesorgel oder Karussellorgel genannt, gehört zur Gattung der mechanischen Musikinstrumente und ist eng verwandt mit der Drehorgel oder auch dem ortsfesten Orchestrion. Im Gegensatz zu anderen Orgeln wird sie nicht manuell gespielt, sondern gehört zu den selbstspielenden Instrumenten und spielt Musik von verschiedenen Programmträgern ab (siehe unten). Jahrmarktsorgeln zeichnen sich in der Regel durch eine sehr aufwändige, detailverliebte Gestaltung aus.
Mit der Drehorgel hat die Jahrmarktsorgel die Mobilität gemeinsam, wenngleich sie – weil wesentlich größer und schwerer – meist einen eigenen Transportanhänger für PKW oder gar LKW benötigt. Die Ähnlichkeit zum Orchestrion besteht darin, dass neben verschiedensten Orgelpfeifen meist auch Rhythmusinstrumente wie Trommeln und Becken die Musik mitgestalten. Teilweise wurden auch Glockenspiele integriert und gelegentlich finden sich auch bewegliche Figuren, die ebenfalls zentral gesteuert werden und zum Beispiel mit einem Stab gegen eine Glocke schlagen können. Alle Funktionen (Musiknoten, Registerschaltung, Rhythmusimpulse, Bewegungen von Figuren) werden vom Programmträger gesteuert. Nach der Elektrifizierung der Jahrmarktsorgeln haben einige Exemplare auch Beleuchtungen integriert, die beim Betrieb nach Anbruch der Dunkelheit dem Instrument nochmal eine ganz andere Optik verleihen und mit ihren warmen Lichtfarben die romantisch-nostalgische Anmutung noch verstärken.
Mit Hilfe der Jahrmarktsorgel versuchten Schausteller seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihre Vergnügungsbetriebe für das Publikum attraktiver zu gestalten. Beispielsweise Karussells, Schiffschaukeln, Reitschulen und das Panoptikum (begehbares Schauzelt) umwarben das Publikum durch die musikalischen Darbietungen und die detailreiche, farbenfrohe Gestaltung der Jahrmarktsorgeln. Durch ihre Lautstärke erregten sie Aufmerksamkeit und übertönten die Betriebsgeräusche der Fahrgeschäfte. Vor allem in Frankreich, in Belgien und im Süden der Niederlande wurden auch größere, jedoch in der Regel leisere, Modelle ortsfest in Tanzsälen errichtet, wo sie als Tanzorgeln Musik für die anwesenden Gäste machten.
Die Jahrmarktsorgel will vordergründig ein kleines Orchester imitieren. Durch das Arrangement der Musik und die Zusammenstellung der Klangfarben entsteht jedoch zumeist ein unvergleichliches, ganz eigenständiges Hörerlebnis. Bei der Auswahl der Musik wurde häufig Märschen und Tanzmusik (insbesondere Walzer, Musette, Ragtime und ähnlichen Musikstilen) der Vorzug gegeben. Aber auch populäre Titel aus Opern und Operetten sowie Gassenhauer und sogenannte Charakterstücke („Die Post im Walde“; „Heinzelmännchens Wachtparade“) gehör(t)en zum Repertoire.