Kretikus (altgriechisch κρητικός kretikos, lateinisch creticus; Plural Kretizi oder Kretiker) oder Amphimacer (auch Amphimazer; griechisch ἀμφίμακρος amphimakros „beidseits lang“) bezeichnet in der antiken Verslehre einen einfachen, dreigliedrigen Versfuß, bei dem ein Breve von zwei Longa eingeschlossen wird, in metrischer Notation also
In der metrischen Formelnotation wird der Kretikus mit cr abgekürzt.
Der Name Kretikus erscheint erst spät bei Hephaistion. Er geht auf Thaletas, einen Chorlyriker des 7. Jahrhunderts v. Chr. zurück, dem man die Einführung kretischer Rhythmen in Sparta zuschrieb.[1]
Der Kretikus kann durch Synkopierung, also durch Weglassen einer Kürze, aus dem jambischen (◡—◡—) bzw. dem trochäischen Metron (—◡—◡) abgeleitet werden. Beim jambischen Metron wird dabei die erste, beim trochäischen die letzte Kürze weggelassen, woraus sich die Nähe des Kretikus zu jambischen und trochäischen Rhythmen erklärt. Mit einem vorangestellten Jambus wird der Kretikus zum Dochmius (◡——◡—).
In der deutschen Dichtung erscheint der Kretikus in der metrumsgenauen Übersetzung antiker Texte, in antikisierenden Formen wie Odenstrophen und als gelegentlicher Bestandteil geläufigerer Formen wie alternierender Verse und Strophen in meist trochäischem Metrum; auch aus Kretikern und Trochäen gemischte Verse tauchen auf.