Kriminologische Lerntheorien

Kriminologische Lerntheorien gehen von der Annahme aus, dass von der Norm abweichende Verhaltensmuster ebenso erlernt werden wie konformes Verhalten.[1] Alle Einstellungen, Wertvorstellungen, Motive und Verhaltenstechniken würden im Prozess der Kommunikation von anderen Gesellschaftsmitgliedern übernommen und dann eingeübt. Ausschlaggebend seien die Personen, deren Verhalten nachgeahmt wird, und das soziale Umfeld, in dem diese Lernprozesse stattfinden. Kriminologische Lerntheorien stehen damit im Gegensatz zu älteren, biologistischen Annahmen, nach denen Kriminalität genetisch bedingt sei.

Von den frühen Publikationen des französischen Soziologen Gabriel Tarde abgesehen, wurden alle kriminologischen Lerntheorien von Forschern aus den Vereinigten Staaten entworfen. Die Grundlage schuf 1947 Edwin H. Sutherland mit seiner Theorie der differentiellen Assoziation. Alle später konzipierten Ansätze sind Ergänzungen und Modifikationen dieser Theorie. Sutherland erklärte das Entstehen von Kriminalität, ähnlich wie bereits Tarde, mit den Lernprozessen, die sich aus den Wahlmöglichkeiten zwischenmenschlicher Kontakte bieten. Daniel Glaser ergänzte die Theorie um den Aspekt der Identifikation. Gresham M. Sykes und David Matza gingen mit ihrer Neutralisierungstheorie der Frage nach, was denn zu erlernen sei, damit Personen Straftaten begehen können. Ronald L. Akers schließlich verknüpfte Sutherlands Theorie mit der sozialkognitiven Lerntheorie und machte damit die kriminologische Lerntheorie empirisch überprüfbar.

  1. Dieter Herrmann: Kriminalitätstheorien. Stichwort im Onlinelexikon. In: Thomas Feltes, Hans-Jürgen Kerner (Hrsg.): KrimLex. (krimlex.de [abgerufen am 15. Juli 2020]).

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