Lagerfeuer (Roman)

Lagerfeuer ist ein multiperspektivischer Roman von Julia Franck aus dem Jahr 2003, der das Leben von DDR-Flüchtlingen im Notaufnahmelager Marienfelde im West-Berlin der 1970er Jahre erzählt. Franck beleuchtet darin das Leben in der Ungewissheit des Transits, die Frage nach einer politischen Vereinnahmung wie auch die Reklamation des Privaten. Thematisiert werden zudem die Folklorisierung und Dämonisierung des Anderen im Spannungsfeld Ost-West, der Identitätsverlust aufgrund fehlenden Raums, Mutterschaft und Emanzipation, sowie die auf beiden Seiten der Mauer herrschenden Ansprüche auf Wohlstand, Glück und Verständnis.

Der Roman ist in 16 Kapitel aufgeteilt, die aus sich abwechselnden Schilderungen von vier Ich-Erzählern bestehen, deren Lebenswege sie alle ins Notaufnahmelager Marienfelde führen. Diese multiperspektivische Architektur ermöglicht es Franck, die jeweiligen Vergangenheiten, Wahrnehmungen, Begegnungen und Motivationen ihrer Figuren zum Ausdruck zu bringen, und die unterschiedlichen Charaktere durch den Blick aufeinander nicht nur aus der Sicht auf sich selbst, sondern vor allem in der Wahrnehmung anderer darzustellen. Der Leser gewinnt so nicht nur einen tieferen Einblick in die Psychologie der Figuren, als es bei einer Schilderung allein aus Sicht einer Figur möglich wäre; diese Einblicke legen oftmals kontrastierende Interpretationen der Identitäten der Figuren nahe, so dass die „Wahrheit“ zunehmend schwerer zu benennen ist und dem Leser eine eindeutige Orientierung verwehrt bleibt.

Im Zentrum des Romans steht die Übersiedlung der jungen Chemikerin Nelly Senff mit ihren beiden Kindern Katja und Aleksej aus der DDR nach West-Berlin und ihre Erlebnisse im Flüchtlingslager Marienfelde. Eine ältere polnische Frau, Krystyna Jablonowska, die mit ihrem Vater und ihrem Bruder nach Westdeutschland übergesiedelt ist, um den krebskranken Bruder mit westlichen Methoden behandeln zu lassen, ist die zweite Ich-Erzählerin. Zudem wird aus der Perspektive eines Mitarbeiters der CIA erzählt: John Bird führt die Verhöre mit den Flüchtlingen, im Zusammentreffen mit Nelly kommt seine politische Haltung ebenso zum Vorschein wie seine Eheprobleme. Die vierte Perspektive ist die des Schauspielers Hans Pischke, der nach wiederholtem Gefängnisaufenthalt in der DDR von der Bundesrepublik Deutschland freigekauft worden ist, und seit einigen Jahren im Lager lebt.

Der Roman wurde ins Arabische, Dänische, Englische, Französische, Italienische, Kroatische, Niederländische, Polnische, Russische und Spanische übersetzt.[1]

  1. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 1. November 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.fischerverlage.de

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