Liselotte von der Pfalz

Liselotte von der Pfalz
Gemälde von Hyacinthe Rigaud, ca. 1713 (Schloss Versailles). Der schwarze Schleier ist ein Witwenschleier, der hermelingefütterte Mantel mit goldenen Lilien auf blauem Grund zeichnet sie als Mitglied des französischen Königshauses aus. Liselotte selbst war von der Ähnlichkeit dieses Porträts so hingerissen, dass sie verschiedene Kopien anfertigen ließ, die sie an Verwandte schickte: „[…] man hat sein leben nichts gleicheres gesehen, als Rigaud mich gemalt hat“.[1]

Liselottes Unterschrift:

Elisabeth Charlotte, Prinzessin von der Pfalz, heute umgangssprachlich Liselotte von der Pfalz genannt, (* 27. Mai 1652 in Heidelberg; † 8. Dezember 1722 in Saint-Cloud bei Paris) war die älteste Tochter von Kurfürst Karl I. Ludwig und Charlotte von Hessen-Kassel. Durch ihre Ehe mit Philippe I. de Bourbon, duc d’Orléans wurde sie Titular-Herzogin von Orléans und Schwägerin des französischen Königs Ludwig XIV. Literarische und historische Bedeutung erlangte sie vor allem durch ihren Briefwechsel, der durch seine teils sehr unverblümten Schilderungen des französischen Hoflebens von kulturgeschichtlichem Wert ist und zu den bekanntesten deutschsprachigen Textwerken der Barockzeit zählt. Gemäß der zeitgenössischen Namenskonvention wird sie in den historischen Quellen abweichend von ihrem erst in jüngerer Zeit gebräuchlichen Spitznamen sowie ihrem eigentlichen Vornamen als Madame d’Orléans bzw. Madame sichtbar.[2]

Elisabeth Charlotte entstammte der calvinistischen Linie Pfalz-Simmern des Hauses Wittelsbach und war eine Enkelin des Pfälzer Kurfürsten Friedrich V., der als sogenannter „Winterkönig“ von Böhmen zum Auslöser des Dreißigjährigen Krieges geworden war, und dessen Gemahlin Elisabeth Stuart. Ihr Vater Karl I. Ludwig hatte erst kurz vor Liselottes Geburt die Kurpfalz durch den Westfälischen Frieden zurückerlangt, nachdem die Familie Jahrzehnte im holländischen Exil gelebt hatte. Seine Schwester Sophie von Hannover (Sophie von der Pfalz) nahm Liselotte 1659 für vier Jahre als Ziehkind auf, nachdem deren Eltern sich getrennt hatten; sie blieb lebenslang ihre wichtigste Bezugsperson.

1671 wurde sie mit dem einzigen Bruder des „Sonnenkönigs“, Herzog Philippe I. von Orléans, verheiratet; die Ehe wurde nach etwa einem Jahrzehnt verhältnismäßiger Zufriedenheit sehr unglücklich. 1688 nahm der König ihre vermeintlichen Erbansprüche zum Anlass für den Pfälzischen Erbfolgekrieg, in dem zu Liselottes Verzweiflung die Kurpfalz mehrfach verwüstet wurde. Schließlich litt ihr zuvor gutes Verhältnis zum König unter ihrer Feindschaft zu dessen Mätresse Madame de Maintenon, welche Ludwig XIV. zur Verfolgung der Hugenotten überredet haben soll. Diese dreifache Misere beherrscht zusammen mit Liselottes Unangepasstheit in der französischen höfischen Gesellschaft ihren Briefwechsel. Nach dem Tod des Königs 1715 wurde ihr Sohn Philippe II. von Orléans zum Regenten von Frankreich bis 1723, und ihre Situation besserte sich, jedoch traten nun Gesundheitsprobleme in den Vordergrund.

Durch ihre beiden überlebenden Kinder wurde sie nicht nur zur Stammmutter des Hauses Orléans, das mit Louis Philippe, dem sogenannten „Bürgerkönig“, von 1830 bis 1848 auf den französischen Thron gelangte, sondern zur Ahnfrau zahlreicher europäischer Königshäuser, sodass man sie auch den „Bauch Europas“ nannte.[3] Über ihre Tochter Élisabeth Charlotte d’Orléans war sie die Großmutter des römisch-deutschen Kaisers Franz I. Stephan, des Gemahls der Maria Theresia, und Urgroßmutter der Kaiser Joseph II. und Leopold II. sowie der französischen Königin Marie-Antoinette.

  1. Sigrun Paas: Das ‚bärenkatzenaffengesicht‘ der Liselotte von der Pfalz in ihren Bildnissen. In: Liselotte von der Pfalz – Madame am Hofe des Sonnenkönigs. Universitätsverlag C. Winter, Heidelberg 1996, S. 65–93, hier: S. 92.
  2. Leonhard Horowski: Das Europa der Könige. Rowohlt Verlag, Hamburg 2017, ISBN 978-3-498-02835-0.
  3. Van der Cruysse: Madame sein ist ein ellendes Handwerck. S. 229.

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