Lage in Afghanistan |
Als Luftangriff bei Kundus (auch: Kunduz) wird der Abwurf von zwei 500-Pfund-Bomben auf zwei mit Benzin und Diesel gefüllte Tanklastwagen nahe der afghanischen Provinzhauptstadt Kundus am 4. September 2009 bezeichnet. Durch den Angriff wurden die Tanklastwagen und zwei unmittelbar daneben stehende Schleppfahrzeuge zerstört, außerdem zahlreiche Zivilisten und Taliban getötet oder verletzt.
Die Bombardierung war von dem damaligen Oberst der Bundeswehr Georg Klein in seiner Eigenschaft als militärischer Leiter des Provinz-Wiederaufbauteams (PRT) veranlasst und unter Mitwirkung von Hauptfeldwebel Markus Wilhelm als Fliegerleitoffizier des PRT durchgeführt worden.[1]
Die Zahl von mindestens 91 Opfern[2] stellt die bisher größte Zahl von Opfern bei einem Einsatz sowohl in der Geschichte der Bundeswehr als auch durch Kräfte der ISAF dar. Die von der Bundesrepublik Deutschland aus humanitären Gründen an die Opfer und ihre Hinterbliebenen erbrachten Unterstützungsleistungen beruhten ausschließlich auf rechtlich freiwilliger Grundlage (sog. Ex-gratia-Leistungen).[3]
Der Angriff und die folgenden Reaktionen der Bundeswehrführung wurden sowohl aus dem Inland wie aus dem Ausland stark kritisiert. Als deutlich wurde, dass der damalige Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung Parlament und Öffentlichkeit verspätet, unvollständig oder falsch über die Tötung von Zivilisten informiert hatte, trat er am 27. November 2009 als Bundesarbeitsminister zurück. Sein Nachfolger als Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hatte am Vortag den Generalinspekteur der Bundeswehr Wolfgang Schneiderhan und den Staatssekretär Peter Wichert mit der Begründung, sie hätten ihm Informationen zu dem Angriff vorenthalten, ihrer Ämter enthoben. Ab dem 21. Januar 2010 versuchte der Verteidigungsausschuss, die Vorgänge als parlamentarischer Untersuchungsausschuss aufzuklären. Der Abschlussbericht wurde am 25. Oktober 2011 dem Deutschen Bundestag vorgelegt und am 1. Dezember 2011 im Plenum abschließend debattiert.[4]
Am 19. April 2010 gab die Bundesanwaltschaft bekannt, dass sie das Ermittlungsverfahren gegen Klein und Wilhelm wegen der Tötung von Zivilisten eingestellt habe. Dabei wurde darauf abgestellt, dass sich deren Einlassung, sie hätten in der Überzeugung gehandelt, bei den Personen in der unmittelbaren Nähe der Tanklastwagen habe es sich um bewaffnete Aufständische gehandelt, nicht habe widerlegen lassen; doch selbst wenn mit der Tötung mehrerer Dutzend Zivilisten hätte gerechnet werden müssen, wäre der Einsatz nach Ansicht der GBA völkerrechtlich zulässig gewesen.[5][6] Auch alle weiteren Gerichtsprozesse gegen Beteiligte oder die Bundesrepublik Deutschland waren nicht erfolgreich.