Die sogenannte Papstweissagung des heiligen Malachias, kurz: die Malachiasweissagung, ist eine Papst-Prophezeiung bestehend aus 112 kurzen Sinnsprüchen über alle Päpste und (bis auf zwei) Gegenpäpste von Cölestin II. (1143–1144) bis zu Franziskus. Sie wurden erstmals im Jahre 1595 in einem Werk mit dem Titel Lignum Vitae[1] von Arnold Wion gedruckt und dabei wohl fälschlicherweise dem heiliggesprochenen irischen Erzbischof Malachias zugeschrieben.
In dieser Weissagung wird jedem Papst und jedem (bis auf zwei) Gegenpapst nacheinander ein oft nur aus zwei bis drei Worten bestehender Sinnspruch zugeordnet. Nur 3 der 112 Sinnsprüche sind Aussagesätze, darunter auch der letzte:
„In persecutione extrema S. R. E. [= sanctae Romanae ecclesiae] sedebit.“
„In äußerster (letzter bzw. äußerst großer) Verfolgung der Heiligen Römischen Kirche wird er sitzen.“[2]
Diesem Sinnspruch folgt in einem neuen Absatz mit „Petrus Romanus“ ein vermeintlicher Papstname oder ein Papstsynonym, dem sich ein Relativsatz anschließt, welcher stilistisch den Auslegungen der ersten 74 Sinnsprüche ähnelt und auch inhaltlich den letzten Sinnspruch auszulegen scheint.[3] Die hinzugefügten Papstnamen und Auslegungen werden in Lignum Vitae ausdrücklich nicht dem Malachias, sondern dem 1599 verstorbenen Kirchenhistoriker und Katakombenforscher Alfons Ciaconius zugeschrieben.
Viele halten Philipp Neri für den wahren Autor und diejenigen Sinnsprüche, die der prophetischen Schau Philipp Neris vorausgehen, für hinzuerfundene, auf bekannte Tatsachen abgestimmte Fälschungen. Einige Konversations-[4] und theologische Lexika[5] sahen oder sehen sogar die gesamte Prophetie als Fälschung an. Dies mag im schwerverständlichen tiefen Symbolgehalt der Neri zugeschriebenen Sinnsprüche begründet liegen. Darüber hinaus fällt die fehlende Beachtung der Prophetie in den vermuteten 450 Jahren von deren Entstehung bis zu ihrer ersten schriftlichen Erwähnung 1595 auf, obwohl sich diese für den durchschnittlichen Gläubigen dieser Zeitspanne als „eingetroffen“ darstellen müsste.
In diesem Sinne sieht dies u. a. auch Hildebrand Troll:[6] Er verweist auf einen Einschnitt zwischen dem 71. und 72. Sinnspruch, den René Thibaut (1883–1952)[7] als Erster erkannt hat und der die ersten 71 Sinnsprüche (von Cölestin II. bis zu Pius V.) von den Sinnsprüchen Nr. 72 bis 111 (von Gregor XIII. bis Benedikt XVI.) trennt. Erstere beziehen sich demnach auf rein formale Dinge wie Wappen, Namen des Adelsgeschlechtes usw. und sind wohl nachträglich hinzuerfunden, während letztere, die wirklich prophetischen, in erster Linie den Papst oder dessen Pontifikat mittels einer Symbolsprache charakterisieren. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass Philipp Neri (lediglich) die in Lignum Vitae notierte Vorausschau aller nachfolgenden Conclavia zur Zeit des heiligen Papstes Pius V. (1566–1572) zuteilgeworden ist.
Wohl auch gerade wegen der schwerzugänglichen Symbolsprache geriet die Malachiasweissagung im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts etwas in Vergessenheit. Besondere Aufmerksamkeit erlangte sie wieder, als Pius VI. um 1800 als „apostolischer Pilger“, so sein Sinnspruch, durch Europa reisen musste. Von da an bis heute wurden und werden den Philipp Neri zugeschriebenen Sinnsprüchen, insbesondere in Bezug auf die Charakterisierungen der Päpste des 19. und 20. Jahrhunderts, überraschend plausible und unverwechselbare Bezugspunkte nachgesagt.