Mathilde von Canossa

Im Dedikationsbild sitzt Mathilde auf einem Thron unter einem hohen Baldachin zwischen einem Mönch und einem Ritter. Sie hält in ihrer rechten Hand ein Pflanzenzepter. Die Bildunterschrift lautet: „Mathildis lucens precor hoc cape cara volumen“ („Werte Mathilde, ich bitte Dich, nimm dieses herrliche Buch.“). Vita Mathildis des Donizo, um 1115. Vatikanstadt, BAV, Ms. Vat. lat. 4922, fol. 7v.

Mathilde (auch Mathilde von Tuszien; * um 1046; † 24. Juli 1115 in Bondeno) aus der Familie der Herren von Canossa war eine der mächtigsten Adligen in Italien in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts.

Als Markgräfin herrschte sie über weite Gebiete der Toskana und der Lombardei. Als Verwandte des salischen Kaiserhauses vermittelte sie im sogenannten Investiturstreit einen Ausgleich. In diesem umfassenden Konflikt mit dem aufstrebenden Reformpapsttum um das Verhältnis zwischen geistlicher (sacerdotium) und weltlicher (regnum) Macht war es 1076 zur Absetzung und Exkommunikation des römisch-deutschen Königs Heinrich IV. durch Papst Gregor VII. gekommen. Im Januar 1077 war Heinrich nach seiner Buße vor der Burg Canossa (lateinisch Canusia) von Gregor wieder in die Sakramentsgemeinschaft aufgenommen worden. Die Verständigung zwischen König und Papst war jedoch von geringer Dauer. In den wenig später entstandenen Konflikten mit Heinrich IV. stellte Mathilde ab 1080 ihr ganzes militärisches und materielles Potential in den Dienst des Reformpapsttums. Ihr Hof wurde während der Wirren des Investiturstreits für zahlreiche Vertriebene zum Zufluchtsort und erlebte eine kulturelle Blüte. Auch nach Gregors Tod im Jahr 1085 blieb Mathilde eine wichtige Stütze der Reformkirche. Zwischen 1081 und 1098 geriet die canusinische Herrschaft durch die zermürbenden Auseinandersetzungen mit Heinrich IV. in eine große Krise. Die urkundliche und briefliche Überlieferung setzt für diese Zeit weitgehend aus. Eine Wende ergab sich durch eine Koalition der Canusinerin mit den süddeutschen Herzögen, die in Opposition zu Heinrich standen.

Nach Heinrichs Rückzug 1097 in das Reich nördlich der Alpen entstand in Italien ein Machtvakuum. Der Kampf zwischen regnum und sacerdotium veränderte das Sozial- und Herrschaftsgefüge der italienischen Städte dauerhaft und verschaffte ihnen Freiraum für Emanzipation von auswärtiger Herrschaft und kommunale Entwicklung. Ab Herbst 1098 konnte Mathilde zahlreiche der verlorenen Gebiete zurückgewinnen. Bis zuletzt versuchte sie die Städte unter ihre Kontrolle zu bringen. Nach 1098 nutzte sie verstärkt die Möglichkeiten, die der Schriftgebrauch bot, um ihre Herrschaft wieder zu konsolidieren. In ihren letzten Jahren trieb sie die Sorge um die eigene Memoria, weshalb die kinderlose Mathilde ihre Schenkungstätigkeit allein auf das Kloster Polirone als ihren Erben konzentrierte.

Mit Mathildes Tod starb die Familie 1115 aus. Päpste und Kaiser stritten sich um ihr reiches Erbe, die „mathildischen Güter“, bis weit in das 13. Jahrhundert. Mathilde wurde in Italien zum Mythos, der seinen Ausdruck in zahlreichen künstlerischen, musikalischen und literarischen Gestaltungen sowie Wundergeschichten und Legenden fand. Ihren Höhepunkt erreichte die Nachwirkung während der Gegenreformation und im Barock. Papst Urban VIII. ließ 1630 Mathildes Leichnam nach Rom überführen, wo sie als erste Frau in Sankt Peter bestattet wurde. Der Nachwelt bleibt vor allem ihre Rolle bei der Begegnung zwischen Papst Gregor VII. und König Heinrich IV. in den späten Januartagen des Jahres 1077 in Erinnerung.


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