Mitdoge

Als Mitdogen (in der italienischen Literatur co-dux) wurden seit der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts diejenigen Söhne oder Brüder des herrschenden Dogen von Venedig bezeichnet, die von ihm selbst oder der Volksversammlung zu Mitherrschern erhoben worden waren. Sie wurden in den zeitlich näheren Quellen meist als Dogen bezeichnet. Eine solche Erhebung zum Mitdogen fand erstmals im Jahr 787 statt. Sie war eine gängige Praxis bis 887; diese Praxis endete nach einem neuerlichen Aufleben um 958 erst im Jahr 1026, um 1040 explizit untersagt zu werden.

Die meisten Mitdogen spielten in der späteren Geschichtsschreibung Venedigs nur eine geringe Rolle. Starben nämlich die Söhne oder Brüder noch vor dem Ableben oder der Absetzung des Dogen, so wurden sie nicht in die Liste der Dogen aufgenommen. Infolgedessen verschwanden sie ab dem Spätmittelalter weitgehend aus der zunehmend staatlich gesteuerten Geschichtsschreibung. Die Einrichtung einer Anwartschaft auf den Dogensitz durch Kooptation, wie die Erhebung des Sohnes zum Mitdogen durch den bereits herrschenden Vater (in einem Fall auch der Brüder) betrachtet werden kann, kennzeichnet die Versuche, eine Dynastie zu gründen. Dies stieß jedoch in Venedig auf zunehmenden Widerstand, der sich in einem weitgehenden Verschweigen in der staatlichen Geschichtsschreibung seit dem Dogen Andrea Dandolo niederschlägt.

Im Jahr 1040 wurde dieses 787 erstmals angewandte Verfahren zur Erhebung eines prädestinierten Nachfolgers zu Lebzeiten des Dogen strikt untersagt. Der Doge durfte zu seinen Lebzeiten keinen Mitdogen mehr erheben, und außerdem durfte er nicht mehr seinen Nachfolger bestimmen: „ut dux creandum consortem vel successorem non faciat nec fieri permittat eo vivente“ (Andrea Dandolo).[1]

Zwischen dem späten 8. Jahrhundert und 887, also rund ein Jahrhundert lang, und dann noch einmal zu Anfang des 11. Jahrhunderts, kam es zu mindestens 14 Erhebungen zu Mitdogen. Neben dem Zusammenhang zu Dynastiebildungen bilden drei Brüder, die ab etwa 804 gemeinsam regierten, einen Sonderfall.

Auch später wurden Söhne zu einer Art Nebenherrschern in Venedig erhoben, die jedoch ihre Väter ausdrücklich in Venedig nur bis zu deren Rückkehr vertraten. Dabei handelte es sich zwischen 1122 und 1205 um drei explizit als Vizedogen bezeichnete Söhne, die nach der Rückkehr formlos abtraten, in einem Fall, nachdem der Vater gestorben war. Vizedoge zu sein bedeutete keineswegs, einen Anspruch auf die Nachfolge zu erlangen.

Die venezianische Geschichtsschreibung, die erst um 1000 einsetzt, besaß lange keine Vokabel, um den Mitdogen zu bezeichnen. Stattdessen umschrieb sie den Vorgang, etwa als Agnello Particiaco einen seiner Söhne „id est Iohannes, ducem fieri promovit“ (Istoria Veneticorum, II, 31). Auch als zwei Brüder ihren gemeinsamen Bruder Valentinus zum Dogen erheben wollten, lautete die Umschreibung: „Deinde Obelierius et Beatus duces Valentinum, tercium illorum fratrem, in dignitate sui ducatus habere consortem voluerunt“ (II, 26). Einen eigentlichen Titel erhielt der so zu Ehren Gekommene noch nicht. Im 14. Jahrhundert bezeichnete man den Mitdogen als consorte nel Ducato, danach gelegentlich als compagno nel ducato, im 16. Jahrhundert im Deutschen gar als bloßen „Gehilfen“ des Dogen. Die Vorstellung einer eigenen Rechtsnatur war weitgehend verschwunden.

  1. Zitiert nach Otto Kohlschütter: Venedig unter dem Herzog Peter II. Orseolo 991 bis 1009, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1868, S. 51.

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