Mutterkorn

Roggenähre mit Mutterkorn
Durch Mutterkorn verunreinigter Roggen
Strukturformel von Endocrocin
Abbildungen aus Mémoire sur l’ergot des glumacés von L.-R. Tulasne, 1853[1]
Botanische Illustration der Mutterkorn-Ähre

Das Mutterkorn (lateinisch Secale cornutum) ist eine längliche, kornähnliche und bis zu vier (bis sechs) Zentimeter lange Dauerform (Sklerotium) des Mutterkornpilzes (Claviceps purpurea), einer Schlauchpilz-Art, die aus den Ähren von Getreide herauswachsen kann. Für Mensch und Tier stellt der Befall der Blüten von Nahrungs- und Futtergetreide mit Mutterkorn ein Problem dar, denn die in diesem Pilz enthaltenen über 80 Alkaloide und Farbstoffe weisen eine hohe Giftigkeit auf. In geringer Dosierung kann Mutterkorn auch als Heilmittel wirken.[2] Besonders häufig betroffenes Nahrungsgetreide ist Roggen, aber auch die als Viehfutter genutzten Getreide Triticale, Weizen, Gerste, Hafer und Dinkel. Über 400 Gräser insgesamt sind befallgefährdet;[3] auch das an der Nordseeküste vorkommende Salz-Schlickgras (Spartina anglica).[4]

In der Vergangenheit traten auf Mutterkorn zurückgehende Massenvergiftungen – Antoniusfeuer genannt – oft als Begleiterscheinungen von Hungersnöten auf, wenn große Teile der ärmeren Bevölkerung zum Verzehr ungereinigten, vom Felde aufgelesenen Getreides gezwungen waren. Auch sonst waren die Armen des Mittelalters und der frühen Neuzeit eher von solchen Vergiftungen durch das Mutterkorn betroffen, da sie meist das billigere, aus kaum gereinigtem Korn hergestellte Brot verzehrten. Der Pilz breitete sich damals vielfach erst in den feuchten Kornspeichern aus, die einen idealen Nährboden für das Mutterkorn darstellten. Daneben besaß das Mutterkorn in der deutschen Volksmedizin ab dem Mittelalter lange eine Bedeutung als wehentreibendes und blutstillendes Mittel.[5]

Der Chemiker Albert Hofmann stellte 1938 während seiner Forschungsarbeiten zum Mutterkorn mit der Zielsetzung, ein Kreislaufstimulans zu entwickeln, erstmals LSD her.

  1. L.-R. Tulasne: Mémoire sur l’ergot des glumacés. In: Annales des sciences naturelles (Partie Botanique). Band 20, 1853, S. 5–56 (Digitalisat)
  2. B. Franck: Struktur und Biosynthese der Mutterkorn-Farbstoffe. In: Angewandte Chemie. Band 81, 1969, Nr. 8, S. 269–278, doi:10.1002/ange.19690810802.
  3. Simon Oxley, Mitch Lewis, Sandra Stewart: TN601: Ergot Disease In Cereals. 2007, ISBN 978-1-85482-885-9 (Download [abgerufen am 29. Juni 2016]).
  4. Giftiges Mutterkorn breitet sich an der Nordsee aus. Meldung bei Scinexx.de/Leibniz Universität Hannover, 22. Mai 2013.
  5. Theodor von Husemann: Handbuch der gesammten Arzneimittellehre. Mit besonderer Rücksichtnahme auf die zweite Auflage der Deutschen Pharmakopoe für Aerzte und Studirende. Berlin 1883, S. 1196 und Georg Schön: Pilze. Lebewesen zwischen Pflanze und Tier. München 2005, S. 67.

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