Neckar-Odenwald-Limes (früher auch Neckarmümlinglinie genannt[1]) ist ein zusammenfassender Begriff für zwei, möglicherweise leicht zeitverschiedene und strukturell stark unterschiedliche, frühe Abschnitte des Obergermanisch-Raetischen Limes. Der Neckar-Odenwald-Limes setzte sich zusammen aus dem nördlichen Odenwaldlimes, einem Landlimes mit Kastellen, Wachtürmen und Palisade, der den Main (lateinisch: Moenus) mit dem Neckar (lateinisch: Nicer) verband, und dem südlich anschließenden Neckarlimes, der in der bisherigen Forschung als ein typischer „Nasser Limes“ (ripa) betrachtet wurde, bei dem der Fluss die Funktion der Palisade als Annäherungshindernis ersetzte. Erkenntnisse der neueren Zeit werfen ein etwas anderes Licht auf diese Betrachtungsweise, so dass sie möglicherweise künftig relativiert werden muss.[2] Die entsprechenden Forschungen dauern derzeit noch an.
Der Odenwaldlimes nahm seinen nördlichen Anfang am Main, entweder beim Kastell Obernburg oder beim Kastell Wörth, und zog von dort aus, sich geschickt die topographischen Gegebenheiten des Odenwaldes zunutze machend, in südliche Richtung bis an den Neckar, den er vermutlich auf dem Gebiet des heutigen Landkreises Heilbronn erreichte. Die Neckarlinie bildete seine Verlängerung in südliche Richtung bis nach Arae Flaviae auf dem Gebiet der heutigen Stadt Rottweil, wobei sie sich am Verlauf des Flusses orientierte.
Der Neckar-Odenwald-Limes entstand vermutlich im Bereich des Odenwaldlimes in trajanischer[3], im Bereich der Neckarlinie in domitianischer oder frühtrajanischer und im Bereich der älteren Neckarkastelle in vespasianischer Zeit. Er durchlebte mehrere Umbauphasen und wurde erst mit der Vorverlegung auf die schnurgerade Linie des Vorderen Limes in den Jahren zwischen 159/161 und 165 obsolet.[4]
↑Emil Hübner: Römische Herrschaft in Westeuropa, Berlin 1890; Reprint des Originals: Europäischer Geschichtsverlag egv, Paderborn 2011, ISBN 978-3-86382-214-9, S. 93
↑Die konventionelle Anfangsdatierung auf das Jahr 100 (± 5) stützt sich auf die Ergebnisse der Ausgrabungen, die Dietwulf Baatz in den Jahren 1964 bis 1966 im Kastell Hesselbach vornahm. Sie basiert im Wesentlichen auf der Auswertung der dabei gefundenen Sigillaten (vgl. den entsprechenden Abschnitt im Hesselbach-Artikel und Dietwulf Baatz: Kastell Hesselbach und andere Forschungen am Odenwaldlimes. Gebr. Mann, Berlin 1973, ISBN 3-7861-1059-X (Limesforschungen, Band 12), S. 85–96). In der jüngeren Literatur wird einer Anfangsdatierung des Kastells Hesselbach wie des gesamten Odenwaldlimes auf den Zeitraum 107/110, ja sogar bis zum Jahr 115 der Vorzug gegeben. Dieser Datierungsansatz stützt sich nicht auf neue Ausgrabungsbefunde, sondern auf eine statistische Neubewertung der Münzfunde aus allen Kastellen des Obergermanisch-rätischen Limes, die der Archäologe Klaus Kortüm 1998 erstmals vorgelegt hat und auf die sich inzwischen einige Autoren der jüngeren Literatur stützen. (Vgl. Klaus Kortüm: Zur Datierung der römischen Militäranlagen im obergermanisch-raetischen Limesgebiet. In: Saalburg-Jahrbuch 49, 1998, Zabern, Mainz, S. 5–65, und Egon Schallmayer: Der Limes. Geschichte einer Grenze. Beck, München 2006, ISBN 3-406-48018-7, S. 49–52 sowie S. 54 f.)
↑Die neuere Forschung geht davon aus, dass die Vorverlegung des Limes nicht plötzlich geschah, sondern sich über einen Zeitraum von bis zu fünf, sechs Jahren erstreckte.