Neuroethik

Die Neuroethik (englisch neuroethics) ist eine Disziplin im Grenzgebiet zwischen den Neurowissenschaften und der Philosophie.

In der Forschung herrscht noch Uneinigkeit über den Themenbereich der Neuroethik. Einige Wissenschaftler sehen die Neuroethik als den Teil der Bioethik an, der sich mit der moralischen Bewertung von neurowissenschaftlichen Technologien beschäftigt. So definierte William Safire (1929–2009) die Neuroethik als „den Bereich der Philosophie, der die Behandlung oder Verbesserung des menschlichen Gehirns moralisch diskutiert.“[1] Typische Fragen der so verstandenen Neuroethik sind: In welchem Maße darf man in das Gehirn eingreifen, um Krankheiten zu heilen oder kognitive Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit oder Gedächtnis zu verbessern?

Die meisten Forscher verwenden den Begriff der Neuroethik jedoch in einem weiteren Sinne. Für sie steht das Verhältnis zwischen neurowissenschaftlichen Erkenntnissen und moralisch relevanten Konzepten wie etwa „Verantwortung“, „Freiheit“, „Rationalität“ oder „Personalität“ ebenfalls im Zentrum neuroethischer Überlegungen. So versteht der Neurowissenschaftler Michael Gazzaniga unter dem Begriff der Neuroethik „die sozialen Fragen nach Krankheit, Normalität, Sterblichkeit, Lebensstil und der Philosophie des Lebens, informiert durch unser Verständnis der grundlegenden Gehirnmechanismen“.[2] Die grundlegende Idee des von Jorge Moll entwickelten EFEC ist, das Entstehen moralischer Empfindung aus der Kombination von strukturiertem Ereigniswissen, sozial wahrnehmenden und funktionellen Eigenschaften sowie zentralen Motivationszuständen zu erklären.[3][4] Eine derart definierte Neuroethik fragt letztlich nach der Bedeutung der Hirnforschung für das menschliche Selbstverständnis.

Während der Begriff der Neuroethik in den Neurowissenschaften bereits weite Verwendung gefunden hat, stößt er in der Philosophie nicht nur auf Zustimmung. Viele Fragen der Neuroethik sind bereits seit langer Zeit Thema der allgemeinen Philosophie. Dies trifft etwa auf die Frage nach dem Verhältnis von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und menschlichem Selbstverständnis und auch auf die Debatte um technische Eingriffe in die „menschliche Natur“ zu. Daher wird gelegentlich die Notwendigkeit einer Disziplin „Neuroethik“ bestritten.

  1. Judy Illes (Hrsg.): Neuroethics: defining the issues in theory, practice, and policy. Oxford University Press, Oxford 2006, ISBN 0-19-856721-9, S. v.
  2. Michael Gazzaniga: The ethical brain. Dana Press New York, 2005, ISBN 1-932594-01-9.
  3. Jorge Moll, Roland Zahn, Ricardo de Oliveira-Souza, Frank Krueger & Jordan Grafman : The event–feature–emotion complex framework, in Nature Reviews Neuroscience 6, 799–809 (October 2005)
  4. Changeux, J.-P.; Damasio, A.R.; Singer, W.; Christen, Y. (Eds.): Neurobiology of Human Values, 2005, ISBN 978-3-540-26253-4

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