Normenhierarchie (Deutschland)

Die Normen des deutschen Rechts stehen in einer Normenhierarchie.[1] Das bedeutet, dass höherrangiges Recht entweder das niederrangige Recht zum gleichen Gegenstand verdrängt (Geltungsvorrang) oder dass das niederrangige Recht ergänzend oder subsidiär neben dem höherrangigen Recht steht (so beim Anwendungsvorrang) oder dass das niederrangige Recht im Wege der rangkonformen Auslegung oder Rechtsfortbildung mit dem höherrangigen Recht in Einklang gebracht wird.

Vom Grundgesetz aus betrachtet gibt es Normen mit Vorrang oberhalb des Grundgesetzes (Anwendungsvorrang des Unionsrechts) und Normen im Rang unterhalb des Grundgesetzes (Völkerrecht, Landesrecht).

Das Recht der Europäischen Union genießt einen Anwendungsvorrang gegenüber dem deutschen Recht, einschließlich des deutschen Verfassungsrechts. Bei einer Kollision zwischen dem Unionsrecht und dem deutschen Recht ist zunächst zu versuchen, im Wege der unionsrechtskonformen Auslegung oder gegebenenfalls der unionsrechtskonformen Rechtsfortbildung das deutsche Recht durch eine entsprechende Interpretation (rangkonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung) anzupassen. Ist das nach den Regeln der deutschen Methodenlehre nicht möglich, gilt im Überschneidungsbereich zwischen Unionsrecht und deutschem Recht das Unionsrecht anstelle des deutschen Rechts. Im Übrigen gilt das deutsche Recht beim Anwendungsvorrang weiter in den vom Unionsrecht nicht erfassten Fällen.

Anders als das Recht der Europäischen Union steht Völkerrecht als einfaches deutsches Recht unterhalb der Verfassung.

Im Rahmen der bundesstaatlichen Kompetenzordnung ist mit Blick auf die Rechtsetzung zunächst entscheidend, wem durch das Grundgesetz die Gesetzgebungskompetenz im Bundesstaat zugewiesen worden ist (Art. 70 ff. GG). Liegt sie beispielsweise beim Bund – entweder weil der Bund über die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz verfügt oder weil er von seinem Recht zur konkurrierenden Gesetzgebung Gebrauch gemacht hat –, so kann das Land in diesem Bereich keine wirksame Regelung mehr treffen.

Im Übrigen ist das Rangverhältnis zwischen Rechtsnormen des Bundes und der Länder im Sinne des Geltungsvorrangs durch Art. 31 GG bestimmt: „Bundesrecht bricht Landesrecht“. Wegen der umfassenden Regelung der Gesetzgebungskompetenzen in den Art. 70 ff. GG erschöpft sich die Bedeutung dieser Vorschrift darin, die Rangordnung des Bundesrechts im Verhältnis zum Landesrecht zu bestimmen.

Die Rechtsquellen können demnach im Überblick leicht vereinfachend folgendermaßen geordnet werden:

Das europäische Unionsrecht berührt die Geltung dieser Hierarchie nicht, denn für diese Rechtsquelle gilt ein Anwendungsvorrang, kein Geltungsvorrang.

Unterhalb des Gesetzes im materiellen Sinn wären jeweils die Verwaltungsvorschriften anzuordnen.

Verbindliche Einzelakte (Runderlass, Verwaltungsakte, öffentlich-rechtliche Verträge, Urteile) stehen infolge des Vorrangs der Verfassung und des Vorrangs des Gesetzes in der Rangfolge unterhalb jeder Rechtsnorm.

Da diese Normenhierarchie oft als Pyramide visualisiert wird, ist auch der Begriff Normenpyramide an Stelle der Normenhierarchie üblich.

  1. Rolf Wank: Juristische Methodenlehre. Vahlen, München 2020, § 5 Rn. 40 ff.

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