Als Orgelsinfonie bezeichnet man eine großangelegte, meist mehrsätzige Komposition für die Orgel, welche deutlich Elemente einer Sinfonie für Orchester in sich trägt (z. B. oft Sätze in Sonatenhauptsatzform, was sie dann allerdings mit der Orgelsonate gemein hat), als auch vor allem hinsichtlich ihrer Registrierungen die Orgel in orchestralen Klangfarben ausschöpft.
Diese Gattung entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Frankreich, ausgehend von der Grande Pièce Symphonique, op. 17 (1863) von César Franck. Bedeutende Beiträge dieser Gattung sind die zehn Sinfonien von Charles-Marie Widor sowie die sechs Sinfonien von Louis Vierne. Ein Merkmal vieler Orgelsinfonien ist die Anzahl ihrer Sätze, die meist über die klassische Viersätzigkeit der Orchestersinfonien hinausgeht. So umfassen mehrere Sinfonien von Widor bis zu sieben Sätze. Nach seiner sechssätzigen Premiére Symphonie, op. 14 (1899) schrieb Vierne fünf weitere Sinfonien mit jeweils fünf Sätzen. Zudem verfolgte Vierne in seinen Sinfonien 2 bis 6 das Prinzip der zyklischen Entwicklung, auf der Basis von zwei kontrastierenden Themen, die das musikalische Kernmaterial der jeweils fünf Sätze sind. Die intensive Auseinandersetzung mit der Form der Sinfonie für Orgel, insbesondere in Frankreich, lässt sich unter anderem auf die Klangästhetik des französischen Orgelbaus im 19. Jahrhundert zurückführen, deren bedeutendster Vertreter der Orgelbauer Aristide Cavaillé-Coll war.[1]
Als Wegbereiter der Gattung Orgelsinfonie können auch die acht Orgelsonaten von Alexandre Guilmant betrachtet werden, von denen der Komponist die erste und achte Sonate für Orgel und Orchester bearbeitete und als Orgelsinfonien veröffentlichte. Hinsichtlichtlich ihrer Dimensionen und formalen Struktur sind sowohl Guilmants acht Sonaten (als suitenartige Zusammenstellung von Einzelstücken) als auch die 20 Orgelsonaten von Josef Gabriel Rheinberger[2] mit den vier frühen Sinfonien von Widor vergleichbar.