Privatautonomie ist das Recht, seine privaten Rechtsverhältnisse nach eigener Entscheidung zu gestalten. Sie entspricht dem Ideal, in einer freien Gesellschaft nach seinem Willen selbstverantwortlich zu handeln. Der Begriff wird in der Rechtswissenschaft und der Rechtsphilosophie, sinngemäß aber auch in der Pädagogik verwendet. Er entstammt dem Denken des Liberalismus und setzt voraus, dass menschliche Handlungen auf Vernunft beruhen.
Verfassungsrechtlich ist die Privatautonomie in Deutschland Teil des allgemeinen Prinzips der Selbstbestimmung des Menschen und wird zumindest im Kern durch den fundamentalen Art. 1 in Verbindung mit der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG geschützt.[1]
Privatautonomie äußert sich im Zivilrecht in der Vertragsfreiheit, der Vereinigungsfreiheit, der Eigentumsfreiheit (→ Verfügungsrecht), der Eheschließungsfreiheit und der Testierfreiheit. Der Einzelne ist berechtigt, Rechte und Pflichten zu begründen, zu ändern oder aufzuheben. Über die bloßen Freiheitsrechte hinaus ist er im Rahmen der Rechtsordnung mithin in der Lage, eigenverantwortlich rechtsverbindliche Regelungen zu treffen.[2]
Soweit die Privatautonomie zu den unverzichtbaren Grundwerten einer freiheitlichen Rechts- und Verfahrensordnung gehört, muss Missbrauch wirksam begegnet werden können, weshalb zum Schutze der sozialstaatlichen Rechtsordnung der Gesetzgebung und der Rechtsprechung ein instrumentell eingebetteter Verantwortungsbereich zukommt.[3] Nach dem Bundesverfassungsgericht gilt: „Soweit die Privatautonomie ihre regulierende Kraft nicht zu entfalten vermag, weil ein Vertragspartner kraft seines Übergewichts Vertragsbestimmungen einseitig setzen kann, müssen staatliche Regelungen auch ausgleichend eingreifen, um den Grundrechtsschutz zu sichern“.[4] Tatsächlich nämlich bestehen zum Teil große Unterschiede zwischen den Menschen, zum Beispiel in Bezug auf ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten, ihr Wissen und ihre Gewandtheit. In der Realität ist nicht jeder wirtschaftlich und sozial tatsächlich gleichberechtigt, beziehungsweise nur wenige sind materiell in der Lage, ihre rechtlichen Freiheiten zu nutzen, und vermutlich selten, wenn nicht sogar nie, wird jeder Wille ohne, zum Teil unterschwellige, Zwänge geäußert. Zum Schutz solcher Menschen vor einer Benachteiligung sieht die Rechtsordnung Einschränkungen der Privatautonomie vor. Diese Einschränkungen sollen jeden einzelnen entsprechend seinem Vorsprung an wirtschaftlicher Macht oder an Wissen treffen.
Beispiele für derartige Einschränkungen der Privatautonomie im Zivilrecht sind die AGB-Kontrolle, das soziale Mietrecht, Kontrahierungszwänge und zahlreiche verbraucherschützende Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), zum Beispiel über das Widerrufsrecht bei Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen oder im Fernabsatz geschlossen wurden.
Diesen Beispielen, in denen der wirtschaftlich Schwächere durch den Kontrahierungszwang vor eventuell diskriminierender Ablehnung seines Antrags geschützt werden soll, stehen insbesondere im Versicherungsvertragsrecht Pflichten zur Deckungsvorsorge gegenüber. Ein Beispiel ist die Versicherungspflicht nach den Bestimmungen des Pflichtversicherungsgesetzes für Kraftfahrzeughalter, nach deren Muster zahlreiche Versicherungspflichten im Bereich der Haftpflichtversicherung ausgestaltet sind. Das Pflichtversicherungsgesetz zwingt den Kraftfahrzeughalter zum Abschluss einer Versicherung aufgrund Kontrahierungszwangs (§ 5 PflVG).