Proklos (griechisch Πρόκλος Próklos mit dem Beinamen ὁ διάδοχος ho diádochos „der Nachfolger“, auch Proklos der Lykier genannt, lateinisch Proclus; * wahrscheinlich 7. oder 8. Februar 412 in Konstantinopel; † 17. April 485 in Athen) war ein spätantiker griechischer Philosoph und Universalgelehrter. Als einer der einflussreichsten Wortführer des Neuplatonismus spielte er in der Geschichte dieser philosophischen und religiösen Strömung eine herausragende Rolle. Er leitete fast ein halbes Jahrhundert lang die neuplatonische Schule von Athen, deren Arbeit er durch seine intensive Lehrtätigkeit und seine zahlreichen Schriften prägte.
Das Kernelement der proklischen Philosophie ist die Theorie der Emanation, des stufenweisen Hervorgehens der Vielheit aus einer umfassenden, undifferenzierten Einheit, die als der Ursprung von allem gilt. Auf diesen ewig andauernden Entfaltungsprozess wird die Existenz einer hierarchisch aufgebauten, nach den Emanationsstufen gegliederten Weltordnung zurückgeführt. Da zwischen den unterschiedlichen Ebenen des so strukturierten Weltsystems vermittelnde Instanzen benötigt werden, die den Zusammenhalt der Welt ermöglichen, erhält das Ganze einen sehr komplexen Charakter. Als Gegenbewegung zur Emanation wird ein Zurückstreben des Hervorgegangenen zum Ausgangszustand angenommen. Daraus ergibt sich im proklischen Modell eine triadische (dreischrittige) Struktur des Weltprozesses: Bleiben in der Ursache, Hervortreten aus ihr und Rückwendung zu ihr.
Proklos schrieb umfangreiche Kommentare zu Dialogen Platons sowie systematische Darstellungen seiner Philosophie und paganen Theologie, ferner Werke über Themen der Mathematik, Physik und Astronomie. Seine Hymnen an verschiedene Götter lassen sein starkes religiöses Engagement erkennen. Als begeisterter Anhänger der griechischen Religion stand er in Opposition zum Christentum, das damals bereits die Staatsreligion des Römischen Reichs war.
Im Mittelalter wirkte das Weltbild des Proklos vielfältig nach, vor allem auf indirektem Weg. Außerordentlich wirkmächtig waren die von seiner Denkweise geprägten Schriften des spätantiken christlichen Theologen Pseudo-Dionysius Areopagita. Auch der auf seinem Emanationskonzept fußende Liber de causis (Buch über die Ursachen) fand viel Beachtung. Ab dem 13. Jahrhundert standen den west- und mitteleuropäischen Gelehrten auch lateinische Übersetzungen von Hauptwerken des Proklos zur Verfügung. Sie beeinflussten namhafte neuplatonisch orientierte Denker, darunter Nikolaus von Kues. In der arabischsprachigen Welt waren im Mittelalter ebenfalls Grundzüge der proklischen Philosophie bekannt.
Im frühen 19. Jahrhundert erhielt Hegel vom triadischen Denken des Proklos einen wesentlichen Impuls für seine dialektische Geschichtsdeutung. Damit begann eine „Proklos-Renaissance“. Andererseits richteten Gegner der hegelschen Dialektik heftige Kritik gegen den antiken Neuplatoniker, der als Vorläufer Hegels wahrgenommen wurde. In der neueren Forschung steht das Bemühen um ein genaueres Verständnis des anspruchsvollen proklischen Weltmodells im Vordergrund, doch gehören auch Vergleiche mit Hegel weiterhin zu den aktuellen Themen.