Protreptik

Der Anfang des Protreptikos des Philosophen Iamblichos in der ältesten und wichtigsten Handschrift: Florenz, Biblioteca Medicea Laurenziana, Plut. 86.3, fol. 46v (14. Jahrhundert)

Protreptik (von altgriechisch προτρεπτικός protreptikós, hier im Sinne von ‚überzeugend‘) ist die moderne Bezeichnung für die antike Kunst des Werbens für ein Ziel. Im engeren Sinn ist die eigens zu diesem Zweck produzierte Literatur gemeint. Diese umfasst die Texte, die darauf abzielen, das lesende oder einem Redner zuhörende Publikum vom Wert eines Fachgebiets oder einer Betätigung, Lebensweise oder Religion zu überzeugen. Ein protreptisches Werk (altgriechisch προτρεπτικὸς [λόγος] protreptikós [lógos] ‚überzeugende [Rede]‘ im Sinne von „Werberede“ oder „Werbeschrift“, lateinisch protrepticus) soll den Leser begeistern und dazu bewegen, sich dem betreffenden Wissensgebiet und Ziel zuzuwenden.

Die protreptischen Schriften der Antike warben meist für die Hinwendung zur Philosophie. Damit war sowohl die philosophische Suche nach Wahrheit und Aneignung von Wissen als auch die entsprechende Haltung und Lebensweise gemeint. Die philosophische Protreptik betonte gewöhnlich die Forderungen der Ethik und ermunterte zum Erwerb und zur Pflege der Arete, der Tugend oder seelischen Tüchtigkeit. Als Hauptziel und höchstes Gut wurde dem Publikum aber nicht die Tauglichkeit und Bewährung im sozialen Leben vor Augen gestellt, sondern in der Regel die Erlangung des ausgeglichenen und glücklichen Gemütszustands der Eudaimonie. Dieser galt als Folge der Einsicht in die tatsächlichen Weltzusammenhänge, die den philosophiefernen Menschen verborgen seien. Einem anderen Zweck diente die religiöse Protreptik der antiken Christen, die deren Weltbild und Wertesystem propagierte.

Die philosophische Protreptik setzte im 5. Jahrhundert v. Chr. ein und blühte noch in der Spätantike. Profilierte Autoren auf diesem Gebiet waren Aristoteles und Cicero, von deren einschlägigen Werken aber nur Bruchstücke erhalten geblieben sind. Die moderne Forschung hat sich intensiv mit der Sichtung des überlieferten Materials und Versuchen der Rekonstruktion beschäftigt. Die Frage, ob die Protreptik neben der Paränese als eigenständige Literaturgattung gelten soll, wird kontrovers diskutiert und heute überwiegend verneint.


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