Realismus (Literatur)

Theodor Fontane, ein Vertreter des Realismus

Im literarischen Realismus will ein Autor die fassbare Welt objektiv darstellen. Neben der Beschreibung der Wirklichkeit versucht er, sie künstlerisch wiederzugeben. Als Erzähler will er dabei nicht erkennbar werden, auch verzichtet er möglichst auf moralische Urteile und eigene Schlussfolgerungen.

Der Ausdruck Realismus kann dreierlei meinen: eine Epoche, einen Stil und eine Norm. Als Epoche der Literatur wird er im Zeitraum zwischen 1848 und 1890 angesiedelt. Die Periode der deutschen Literaturgeschichte zwischen 1850 und 1899 wird auch „bürgerlicher Realismus“ oder „poetischer Realismus“ (so Otto Ludwig) genannt.

Der Epochenbegriff bezieht sich hauptsächlich auf die englische, russische, französische, deutsche und amerikanische Literatur. Vor allem für den Roman des 19. Jahrhunderts war er bedeutsam. Das Schlagwort réalisme erschien in Bezug auf literarische Werke zuerst 1826 in der Zeitschrift Mercure français. Im Zusammenhang mit literaturkritischen Diskussionen wird es seit etwa 1833 mit Bezug auf historische und zeitgeschichtliche Romane von Walter Scott, Victor Hugo und Honoré de Balzac verwendet. Weithin bekannt wurde er seit 1855 durch die Ausstellungen der Gemälde Gustave Courbets mit ihren Alltagssujets unter dem Titel Réalisme und durch die programmatisch-antiromantische Aufsatzsammlung von Jules Champfleury mit dem Titel Le réalisme (1857). Hingegen spielt der philosophische Begriff des Realismus, so wie er von Friedrich Schlegel im Sinne einer Synthese von idealistischer Philosophie und realistischer Poesie[1] oder von Schiller verwendet wurde, in der Literaturtheorie eine untergeordnete, auf Deutschland beschränkte Rolle.[2]

Realismus als Begriff des Stils ist, allgemein als „realistische Darstellung“, vom Epochenbegriff zu unterscheiden. Realismus in diesem Sinne ist in sämtlichen Literaturen aller Epochen enthalten, vorwiegend in den Gattungen Dramatik und Epik. Dies trifft auf die Tragödien des Euripides, die Komödien des Aristophanes, die römischen Satiren, die Novellen und Schwänke des späten Mittelalters und der Renaissance, die Dramen Shakespeares und die barocken Schelmenromane zu. Die frühen Vertreter des psychologischen Romans, darunter die Madame de La Fayette, Henry Fielding und Samuel Richardson, stellten auch seelische Vorgänge realistisch dar.

Schließlich wurde der Begriff des Realismus auch als Norm verwendet, also im Sinne einer Forderung nach realistischer Darstellungsweise, so vor allem im sozialistischen Realismus.

  1. Friedrich Schlegel: Ideen-Fragmente Nr. 96 (1800), Kritische Ausgabe seiner Werke II, S. 265.
  2. Klaus Engelhardt, Volker Roloff: Daten der französischen Literatur. Band 2, dtv, München 1979, S. 9.

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