Klassifikation nach ICD-10 | |
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F65 | Störungen der Sexualpräferenz |
F65.0 | Fetischismus |
F65.1 | Fetischistischer Transvestitismus |
F65.6 | Multiple Störungen der Sexualpräferenz In manchen Fällen bestehen bei einer Person mehrere abnorme sexuelle Präferenzen, ohne dass eine im Vordergrund steht. Die häufigste Kombination ist Fetischismus, Transvestitismus und Sadomasochismus. |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Sexueller Fetischismus ist die übersteigerte Zuneigung zu einzelnen Körperteilen, Körpereigenheiten, Kleidungsstücken, Utensilien, Materialien oder Situationen, bei der ein Gegenstand, der sogenannte Fetisch, als Stimulus der sexuellen Erregung und Befriedigung dient.[1][2][3]
Der erotische Fetischismus erwächst aus der Aufmerksamkeit, die einem bestimmten, vom Individuum lustvoll aufgeladenen Gegenstand zugestanden wird. Diese Beachtung wird lt. Knoll und Jaeckel durch eine Art Augenjagd wirksam, bei der der Interessent bestrebt ist, Beute zu machen. Dies geschieht durch den erotischen Anblick, einer „besonderen Ausdrucksform des Voyeurismus“. Augenjäger schaffen sich, um ihrer erotische Fixierung Wirksamkeit zu verschaffen, eine Art Jagdgebiet. Dies kann ein Schaufenster mit erotisch konnotierten Utensilien sein, es kann sich um das Betrachten bildlicher Darstellungen in Druck- oder Digitalform handeln.
Auch zählt dazu der Besuch bestimmter Events, bei denen Personen auftreten, die den erotisch begehrten Gegenstand am Körper tragen oder es kann die rein zufällige Begegnung auf der Straße sein, bei der die erotischen Schaureize vorgefunden werden, die der Disposition des Fetischisten für ein begehrtes Utensil entsprechen.[4] So fallen im Alltag Stiefel-Liebhaber durch ihre Blickweise auf, die „erst den Fuß, dann die Person“ ins Visier nehmen. Auf diese Weise wird die Erregung generiert, derer der Fetischist bedarf. Jeder Fetisch ist im Grunde ein Ersatz[5] – für die lebendige Partnerin oder den Partner, für die ganze Person.
Freud betont den Aspekt des Fetischs, der zwar zum Sexualpartner in Beziehung steht, gleichzeitig aber „völlig ungeeignet ist, dem normalen Sexualziel zu dienen.“[6] Der Reiz des begehrten Utensils kann aus der Verhüllung des genitalen Bereichs erwachsen oder den engen Kontakt zum Körper repräsentieren, aber genauso gut kann er auch weitab vom genitalen Bereich liegen. Der Ersatzcharakter des Fetischs führt dazu, dass vom Ausübenden immer neue Exemplare gesucht werden; er legt sich einen fetischistischen Harem an,[7] in dem ein bestimmtes Fetisch-Exemplar jeweils seine besondere Gunst genießt, um sie nach einiger Zeit zu verlieren und irgendwann auch neu zu gewinnen; Stekel spricht von einem Haremskult, der jedem Fetischisten zu eigen sei.
Manche Fetischisten benötigen, um erregt zu werden die Gewissheit, dass ihre präferierten Gegenstände tatsächlich getragen worden sind.[8] Dies können z. B. Hemden, Strümpfe, Wäsche sein, die dann vielleicht von einer Wäscheleine gestohlen werden (Fetisch-Raub als lustvoll erlebter Akt der Aneignung).[9] Der Erwerb oder in die Inbesitznahme des Fetischs wird von Betroffenen als „Akt der Weihe“, gleichsam als „feierlich vollzogene Zeremonie“ beschrieben.[10]
Fetische-Gegenstände können lt. Knoll und Jaeckel gleichsam in den Rang von Geschlechtspartnern aufrücken, die jederzeit verfügbar gehalten werden, um zur Triebabfuhr zu dienen. Stekel hebt hervor: „Es gibt keinen Fetischismus ohne Onanie“.[11] Manche Fetischisten sind förmlich gefangen im Bannkreis ihrer Monosexualität, sie leiden unter der partnerschaftsfernen Abgeschiedenheit ihrer sexuellen Daseinsäußerung. Aus Furcht, sich gesellschaftlich lächerlich zu machen, muss der Fetisch oft geheim gehalten werden.[12] Anderen gelingt es, ihre Neigungen offen zu zeigen und fetischistische Reize in den Dienst von Paarbeziehungen zu stellen und als Brücke zur vollen Liebe heranzuziehen. Als Beispiel lässt sich der Lebenslauf des Malers und Stiefelfetischisten Rudolf Schlichter anführen.
Morris hebt hervor, dass der erotisch konnotierte Gegenstand für den individuellen Fetischisten von enormer Bedeutung ist, während es sein kann, dass dieser gleichzeitig von der großen Mehrheit der Gesellschaft als unerotisch und belanglos betrachtet wird.[13] Knoll und Jaeckel betonen in diesem Zusammenhang, dass nicht der Fetisch an sich zähle, sondern der Glaube an ihn. Dies zeige sich daran, wie sexualfern manche Fetische seien. Die Faszination der Fetische könne manchmal so groß sein, dass ihnen durch die Genusssuchenden eine geradezu religiöse Verehrung zuteil werde.[14] Auffällig sei lt. Morris, dass jeder Fetischist seine eigene Spezialität habe, was die Fetischisten auch untereinander isolieren könne. Als Beispiel nennt er Pelzhandschuhe, die für einen Stiefelfetischisten ebenso wenig Bedeutung hätten wie für einen Nichtfetischisten.[15]