Sexus

Sexus ([ˈzɛksʊs]; lateinisch für „das männliche und weibliche Geschlecht“;[1][2] Plural: die Sexus)[d: 1] bezeichnet in der Sprachwissenschaft einen festen Bestandteil der Wortbedeutung vieler Personenbezeichnungen und einiger Tierbezeichnungen, der sich als natürliches Geschlecht auf das außersprachliche Geschlecht der Bezeichneten bezieht. Der Sexus kann die Bedeutung [+weiblich] oder [+männlich] haben, orientiert am biologischen Geschlecht von Lebewesen; als oppositionelles Unterscheidungsmerkmal ist damit festgelegt, ob die Bezeichnung nur für weibliche oder nur für männliche Menschen (oder Tiere) gebraucht wird. Das binäre Konzept des zweigeteilten natürlichen Geschlechts wird seit Jahrzehnten diskutiert in Richtung einer Erweiterung zur Kategorie „Gender“ als sozialem oder psychologischem Geschlecht, um auch trans Frauen und Männer sowie Personen mit nichtbinärer Geschlechtsidentität in Wortbedeutung und Grammatik angemessen berücksichtigen zu können.

Als Bedeutungselement (Sem) kann der Sexus einer Bezeichnung unsichtbar sein oder sich offen zeigen in geschlechtstypischen Wörtern oder Wortelementen und -formen. Beispielsweise wird der Vorname Paul nur für männliche Personen gebraucht, aber sein männlicher Sexus ist am Wort nicht erkennbar; bei der Form Paula ist der Sexus sichtbar markiert durch die zugefügte Endung -a, die hier als weiblich gelesen wird. An Wortzusammensetzungen wie Geschäftsfrau oder Vertrauensmann ist der Sexus sofort ablesbar, ebenso bei der Zebrastute und dem Flusspferdbullen.

Nur Substantive, die Belebtes bezeichnen (keine Dinge oder Abstrakta), können das semantische Merkmal Sexus als Teil ihrer Wortbedeutung enthalten (siehe Lexikalische Semantik). Das natürliche Geschlecht ist dann ein Faktor bei der Zuweisung des passenden grammatischen Geschlechts (Genus): In der Regel wird beim Vorliegen eines weiblichen Sexus das Femininum zugeordnet und bei männlichem Sexus das Maskulinum (Genus-Sexus-Prinzip). Mit dem Genus einer Bezeichnung müssen bezugnehmende Artikel, Pronomen oder Prädikationen grammatisch übereinstimmen (Kongruenz): Die Paula zeigt ihr Können, der Paul seins. Fast alle Verwandtschaftsbezeichnungen haben die Bedeutungseigenschaft natürliches Geschlecht, nach dem sich das Genus richtet (die Schwester, der Bruder). Keine Sexusmarkierung haben Personenbezeichnungen, die aus Adjektiven oder Partizipien gebildet werden (Substantivierungen) – bei ihnen kann ein Sexus sprachlich ausschließlich durch das Genus festgestellt werden: die Verwandte, der Verwandte; nur mit unbestimmtem Artikel wird ein männlicher Sexus auch als maskuline Form sichtbar: ein Verwandter.

In der deutschen Sprache zeigen rund 12.000 weibliche Berufs- und Tätigkeitsbezeichnungen ihr Sexusmerkmal deutlich in der Wortendung -in, alle haben feminines Genus (eine Lehrerin). Umstritten bleibt in der Sprachwissenschaft, inwieweit die 12.000 maskulinen Bezeichnungsformen ein männliches Sexusmerkmal enthalten und anzeigen (Paul ist ein Lehrer), oder ob ein übergeordneter, geschlechtsneutraler Wortsinn ohne Sexusbezug gemeint ist (Paul und Paula sind Lehrer). Vom Sprachgebrauch ausgehend, wird deskriptiv unterschieden zwischen Sexus-bezogenem Gebrauch der Maskulinformen (nur für Männer) und ihrer Verwendung im verallgemeinernden Sinne ohne Sexusbezug (generisches Maskulinum).

Zu den Begriffen „Sex, Sexualität, Sexualisierung, Sexierung, Sexismus“ hat Sexus als Bezeichnung eines sprachlichen Elements keinen Bezug; mit dem englischen Wort sex für das biologische Geschlecht teilt Sexus die lateinische Wortwurzel. Unter dem Schlagwort „Sexualisierung der Sprache“ wird aber an Konzepten gendergerechter Sprache eine Überbetonung von Sexus kritisiert.

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