Sozialdarwinismus ist eine ehemalig sozialwissenschaftliche Theorierichtung,[1] die einen biologistischen Determinismus als Weltbild vertritt. Sie war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und bis zum Zweiten Weltkrieg sehr populär.[2] Sie interpretiert missbräuchlich Teilaspekte des Darwinismus in Bezug auf menschliche Gesellschaften um und fasst deren Entwicklung als Folge natürlicher Selektion beim „Kampf ums Dasein“ auf.[3][4] Die unterschiedlichen Spielarten des Sozialdarwinismus stimmen nach Franz M. Wuketits in drei Kernaussagen überein:[5]
- Die Theorie der Auslese sei vollständig in sozialer, ökonomischer und auch moralischer Hinsicht anwendbar und maßgeblich für die menschliche Entwicklung.
- Es gebe gutes und schlechtes Erbmaterial.
- Gute Erbanlagen sollen gefördert, schlechte ausgelöscht werden.
Kritisiert wird am Sozialdarwinismus unter anderem die unkritische und fehlerhafte Übertragung von biologischen Gesetzmäßigkeiten auf menschliche Gesellschaften.[6] Zudem sind mehrere seiner Grundannahmen nicht von Charles Darwins Theorie gedeckt und werden von der modernen Wissenschaft als überholt angesehen. Diese unter anderem auf einem naturalistischen Fehlschluss beruhende Übertragung von Darwins Theorien lässt sich weder zwangsläufig aus Darwins Werk ableiten noch entspricht sie im Entferntesten Darwins Welt- und Menschenbild.[7]
- ↑ Lenzen 2003, S. 137.
- ↑ A. J. Mayer: Adelsmacht und Bürgertum, 1848 bis 1914. 1986.
- ↑ Peter Emil Becker: Zur Geschichte der Rassenhygiene: Wege ins dritte Reich. Thieme Verlag 1988, S. 9.
- ↑ Dieter Kreft: Wörterbuch soziale Arbeit. Juventa Verlag 2005, S. 759.
- ↑ Franz M. Wuketits: Eine kurze Kulturgeschichte der Biologie: Mythen, Darwinismus, Gentechnik. Primus, 1998, S. 115, zitiert nach Norbert Walz: Kritische Ethik der Natur: ein pathozentrisch-existenzphilosophischer Beitrag zu den normativen Grundlagen der kritischen Theorie. Königshausen & Neumann, 2006, S. 57.
- ↑ Vgl. Heinz Schott: Zur Biologisierung des Menschen. In: Rüdiger Vom Bruch, Brigitte Kaderas (Hrsg.): Wissenschaften und Wissenschaftspolitik: Bestandsaufnahmen zu Formationen, Brüchen und Kontinuitäten im Deutschland des 20. Jahrhunderts. Franz Steiner Verlag, 2002, S. 99.
- ↑ Eve-Marie Engels: Charles Darwin. C.H. Beck, München 2007, S. 199 f.; Franz Wuketits: Darwin und der Darwinismus. C.H Beck, München 2005, S. 93–96.