Theodor Mayer (Historiker)

Theodor Mayer (* 24. August 1883 in Neukirchen an der Enknach (Oberösterreich), Österreich-Ungarn; † 26. November 1972 in Salzburg) war ein österreichischer Historiker und Wissenschaftsorganisator.

Mayers Denken und Handeln war großdeutsch geprägt. Nach einer Tätigkeit als Archivar von 1906 bis 1923 lehrte er als ordentlicher Professor für mittelalterliche Geschichte an den Universitäten Prag (1927–1930), Gießen (1930–1934), Freiburg (1934–1938) und Marburg (1938–1942).

In seinen Anfangsjahren trat er mit wirtschafts- und siedlungsgeschichtlichen Arbeiten hervor. Er wollte die vermeintliche kulturelle Überlegenheit der Deutschen wissenschaftlich belegen. Mit der Leitung des Alemannischen Instituts, der Badischen Historischen Kommission und der Westdeutschen Forschungsgemeinschaft nahm er für kurze Zeit in den dreißiger Jahren eine einflussreiche Rolle in der südwestdeutschen Wissenschaftsorganisation ein. Dabei sollten vor allem die „deutschen Leistungen“ gegenüber Frankreich betont werden.

Mayer wandte sich entschlossen dem Nationalsozialismus zu. Als prominenter Vertreter der Mediävistik wollte er zur geistigen Mobilmachung beitragen und die Relevanz der historischen Forschung für das neu zu schaffende Europa beweisen. Mayers Ziel war die Erarbeitung eines europäischen Geschichtsbildes, das vor allem von der deutschen Geschichtswissenschaft aus bestimmt wird. Damit sollten die nationalsozialistischen Neuordnungspläne eine historische Legitimation erhalten. Mayer strebte die Gründung eines deutschen historischen Instituts im besetzten Paris an, um die Überlegenheit der deutschen Geschichtswissenschaft in Europa historisch zu untermauern. Als Leiter des sogenannten „Kriegseinsatzes der Geisteswissenschaften“ bei den Mittelalterhistorikern organisierte Mayer bis Kriegsende regelmäßig Tagungen. Als Rektor in Marburg von 1939 bis 1942 ging es ihm um eine enge Verschränkung von Wissenschaft und Krieg. Ab 1942 war er Präsident des Reichsinstituts für ältere deutsche Geschichtskunde (der vormaligen Monumenta Germaniae Historica) und bekleidete damit das höchste Amt in der deutschsprachigen Mediävistik. Zugleich war er Leiter des Preußischen Historischen Instituts in Rom. Mayers rechtzeitige Evakuierung der Monumenta-Bibliothek im Zweiten Weltkrieg von Berlin nach Pommersfelden in Bayern schuf die Grundlage dafür, dass sich die Monumenta Germaniae Historica (MGH) in München neu etablieren konnten.

Der Zusammenbruch des NS-Regimes bedeutete für Mayer 1945 das Ende seiner Hochschullaufbahn und den Verlust der MGH-Präsidentschaft. In der Nachkriegszeit stritt er jahrelang vergeblich um seine Wiedereinsetzung als Präsident. Als Wissenschaftsorganisator blieb er jedoch einflussreich. In Konstanz begründete er mit dem Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte (1951–1958 Städtisches Institut für geschichtliche Landesforschung des Bodenseegebietes) eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung, die für die Mediävistik bis in die Gegenwart von Bedeutung ist. Der um Mayer in Konstanz versammelte Kreis an hochkarätigen Wissenschaftlern war von der Überzeugung geleitet, ein „krisenfestes Geschichtsbild“ zu entwickeln.

Wegweisend für die verfassungshistorische Entwicklung wurde das von Mayer geprägte Konzept des frühmittelalterlichen Personenverbands. Seine Auffassung einer Rodungs- bzw. Königsfreiheit übte über Jahrzehnte wesentlichen Einfluss auf die westdeutsche Diskussion über die hochmittelalterliche Verfassungsentwicklung aus.


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