Tocharer

Mit dem Namen Tocharer (lateinisch Tochari, auch Thocari, griechisch Τοχάροι Tocharoi) bezeichneten ursprünglich Autoren der Antike und byzantinischen Epoche Angehörige zentralasiatischer Völker, die in der Regel zu den Skythen gezählt wurden. Die Tocharer galten als eines der Völker aus dem fernsten Asien, außerhalb der bekannten Welt, über die außer dem Namen nur wenig bekannt war. Noch im 14. Jahrhundert bezeichnete der byzantinische Autor Georgios Pachymeres die Mongolen als Tocharer.[1]

Tocharer gehörten nach den spärlichen antiken Quellen zu den Völkern aus der Steppe, die in der Zeit nach 150 v. Chr. das gräko-baktrische Reich vernichteten. Nach einer häufig vertretenen Hypothese sind sie mit den Yuezhi der chinesischen Quellen identisch. Der antike Geograph Claudius Ptolemäus erwähnt die Tocharer im 2. nachchristlichen Jahrhundert als volkreichen Stamm in Baktrien.[2] Diese bzw. dieser Teil der Tocharer wurden zu Namensgebern für Tocharistan (im nördlichen Afghanistan) von der Spätantike bis ins 13. Jahrhundert.

Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurden in Ostturkestan, das heute zur chinesischen Region Xinjiang gehört, diverse Schriftstücke in Alphabeten indischer Herkunft gefunden, die sich als Texte in einer bzw. zwei eng verwandten, bislang unbekannten indogermanischen Sprache(n) entpuppten. Aufgrund einer Bezeichnung in einem alt-türkischen Text wurde diese Sprache als „Tocharisch“ bezeichnet und zunächst vermutet, diese Sprache sei die der Eroberer von Baktrien und von dort mit der buddhistischen Mission nach Zentralasien gebracht worden. Später stellten sich diese Sprachen als einheimische Idiome heraus. Die Nachfahren der Tocharer in Baktrien verwendeten zu dieser Zeit die dort gesprochene iranische Sprache. Ob sie vor ihrer Niederlassung in Baktrien ursprünglich eine andere Sprache gesprochen hatten und wie diese Sprache beschaffen war, ist nicht bekannt und umstritten. Von der Sprachbezeichnung her wurde in der historischen und indogermanistischen Literatur die Volksbezeichnung Tocharer für die Sprecher des Tocharischen bzw. für die Bevölkerung im Verbreitungsgebiet der tocharischen Schriftdenkmäler verwendet. Es ist nicht bekannt, welche Ethnie mit dieser Sprache verbunden war[3] und wer sie in welchem Umfang gesprochen hat. Schriftliche Zeugnisse des Tocharischen decken vor allem einen Zeitraum vom 5. bis zum 8. Jahrhundert ab.

Die Bezeichnung Tocharer kann sich demnach auf Verschiedenes beziehen: vage bekannte antike Völker, die zentralasiatischen Eroberer Baktriens, die nur vage bekannten Sprecher der tocharischen Sprache – und schließlich Volksgruppen, denen unterstellt wird, dass sie Tocharisch gesprochen haben.

  1. Gyula Moravcsik: Byzantinoturcica. Band 2: Sprachreste der Türkvölker in den byzantinischen Quellen (Magyar-görög tanulmányok – Ungroellēnikai meletai Band 21), Királyi Magyar Pázmány Péter Tudományegyetemi Görög Filológiai Intézet, Budapest 1943, S. 276.
  2. Klaudios Ptolemaios: Handbuch der Geographie. Band 2: Buch 5–8 und Indices. Griechisch – deutsch. Herausgegeben von Alfred Stückelberger und Gerd Graßhoff. Schwabe, Basel 2006, ISBN 3-7965-2148-7, S. 649.
  3. James P. Mallory: The Problem of Tocharian Origins: An Archaeological Perspective (= Sino-Platonic Papers. Nr. 259). University of Pennsylvania – Department of Asian Languages and Civilizations, Philadelphia PA 2015, Zusammenfassung S. 46–52, (Digitalisat).

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