Totemismus ist ein ethnologischer (manchmal auch religionswissenschaftlicher) Überbegriff für verschiedene gesellschaftliche Konzepte oder Glaubensvorstellungen, bei denen Menschen eine mythisch-verwandtschaftliche Verbindung zu bestimmten Naturerscheinungen (Tiere, Pflanzen, Berge, Quellen u. v. m.) – den sogenannten Totems – haben, denen als Symbole eine wichtige Bedeutung für die Identitätsfindung zukommt.[1]
Der Begriff „Totem“ steht dabei für das Symbol entweder im Sinne eines profanen metaphorischen Namens oder Gruppenabzeichens – oder eines geheiligten Sinnbildes.[2] Demzufolge unterscheidet man im Totemismus sowohl soziale als auch religiöse Aspekte. Die Bedeutung der Totems ist von Kultur zu Kultur sehr unterschiedlich: Bei vielen Aborigines sind (beziehungsweise waren) es krafttragende spirituelle Abzeichen, die die Menschen mit der Umwelt und der Traumzeit verbinden und die mit heiligen Orten, Zeiten, Symbolen oder Handlungen verbunden werden. Bei vielen Ethnien anderer Kontinente werden Totems zwar magisch-mythologisch erklärt, sind jedoch im Alltag oft „nur“ profane Namen zur Klassifizierung und Wiedererkennung sozialer Gruppen in Anlehnung an die natürliche Ordnung und zur Erhaltung der kosmisch-verwandtschaftlichen Beziehungen.[3] Dabei ist ein Totem psychologisch betrachtet in jeder Form deutlich „wirkungsvoller und tiefer gehend“ als jegliches moderne Erkennungszeichen. Die Zuordnung und/oder Verbindung „religiös oder sozial“ ist allerdings ein häufiges Streitthema unter Ethnologen, da eine scharfe Trennung in der Regel nicht möglich ist.[4]
Bei fast allen totemistischen Ideen sind zwei grundsätzliche Verbote verknüpft:[1]
Jede totemistische Vorstellung erweitert das Konzept der Verwandtschaft auf Naturzusammenhänge, um das Fremde und Bedrohliche in die Welt des Menschen zu integrieren.[5][6][3]
Diese „Verwandtschaft“ wird nicht im biologischen, sondern im rein mythologischen Sinn gesehen;[7] dabei jedoch je nach Ethnie sehr unterschiedlich interpretiert: Einige australische Aborigines und die südafrikanischen Khoisan[8] sehen im Totem zum Beispiel eine direkte gemeinsame Abstammung, während bei zentralafrikanischen Stämmen nur eine entfernte verwandtschaftliche Beziehung angenommen wird.[9]
Totemistische Vorstellungen wurden weltweit beschrieben, vor allem bei denjenigen indigenen Völkern, die sich in verschiedene Abstammungsgruppen (Lineages) oder Clans gliedern.[10]
Aufgrund der wissenschaftlichen Unklarheiten bei religiös motivierten Vorstellungen, die zumeist den Einzelnen betreffen, betrachten viele moderne Ethnologen den Totemismus nur noch in seiner kollektiven Ausprägung,[1] bei der das Totem als Symbol für die Zusammengehörigkeit von sozialen Gruppen steht (Gruppentotemismus).[11] Das Totem repräsentiert hier bestimmte wünschenswerte – oft vermenschlichte – Eigenschaften oder Verhaltensweisen der Tiere, Pflanzen oder anderen Naturobjekte, die auf diese Art und Weise in das kulturelle Verhaltensrepertoire übernommen werden.[1] Oftmals ist schwer zu erkennen, ob ein Totem zu den schon vorhandenen Eigenheiten der Gruppe passend gewählt wurde; oder ob sich diese Eigenheiten erst im Laufe der Zeit durch die Auswahl des Totems und den Glauben an die mythische Verwandtschaft entwickelten.[12]
Totemistische Vorstellungen kommen heute noch vor allem im zentralen und südlichen Afrika bei einigen traditionellen Gesellschaften,[1] bei einigen australischen und melanesischen Stämmen und bei nicht christianisierten naturnah lebenden Indigenen Mittel- und Südamerikas vor.[1]