Tuisto

Tuisto, hier Tuiscon genannt (Nikolaus Stör c. 1543; Bildunterschrift: Burkard Waldis)

Tuisto war laut Tacitus der göttliche Stammvater der Germanen.

Der Name Tuisto ist lediglich in Tacitus’ Werk Germania bezeugt:

„Celebrant carminibus antiquis (quod unum apud illos memoriae et annalium genus est ) Tuisconem deum Terra editum et filium Mannum originem gentis conditorisque.“

„Als Stammväter und Begründer ihrer Völkerschaft verherrlichen sie [die Germanen] in alten Liedern – der einzigen Art historischer Überlieferung, die es bei ihnen gibt – Tuisto, einen der Erde entsprossenen Gott, und seinen Sohn Mannus.“

Tacitus: Germania 2,2

Die Handschriften zur Germania bieten eine große Schreibungsvielfalt des Namens; als Hauptvarianten sind Tuistonem und Tuisconem auszumachen. Eine Entscheidung zwischen den beiden Namensformen ist weder von der Überlieferung noch von der Etymologie her möglich. Beide können auf ein Element urgermanisch *twis- „zwei-“ zurückgeführt werden. Bei Tuisconem läge eine Weiterbildung mit dem Suffix urgermanisch *-ka- (urgermanisch *twis-ka- „zweifach“, fortgesetzt in althochdeutsch zwisc, mittelhochdeutsch zwisch, angelsächsisch twisc „zweifach“), bei Tuistonem dagegen eine Weiterbildung mit dem Suffix urgermanisch *-ta- (urgermanisch *twis-ta- „zweiteilig“, fortgesetzt in neuhochdeutsch Zwist, altenglisch tvist „Gabel“, altisländisch tvistr „zweigeteilt“, altisländisch tvistra „trennen“) vor. Wie die Namensform auch anzusetzen ist, in beiden Fällen ist der Name wohl als Zwitter zu verstehen. Der zweigeschlechtliche Tuisto ist ein aus der Erde geborener Gott, wobei man vermutet, dass die Germanen sich diese als Mutter Erde vorstellten.

Zweigeschlechtliche Urwesen kommen in der mythologischen Vorstellung häufiger vor. Eine Parallele findet sich etwa in der altnordischen Mythologie in Gestalt des Urriesen Ymir.

Tuisto ist sprachlich und bezogen auf seine Funktion eng verwandt mit Tvashtri, dem androgynen altvedischen Schöpfergott.


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