Wirtschaftsgeschichte der Republik Venedig

Die Wirtschaftsgeschichte der Republik Venedig und der die Stadt umgebenden Lagune reicht, wie die Besiedlungsgeschichte, bis in das Neolithikum zurück. Am äußersten Ende der Adria gelegen, profitierte die Stadt seit dem Frühmittelalter von ihrer Lage nahe an den Märkten[1] Mitteleuropas und von der formalen Zugehörigkeit zum Byzantinischen Reich. Sie errang bei zunehmender Autonomie Handelsvorrechte sowohl in Byzanz als auch im Römisch-deutschen Reich. Mit dem 4. Kreuzzug wurde der Doge Enrico Dandolo 1204 nominell zum Herrn von drei Achteln des Byzantinischen Reiches, und ein Kolonialreich entstand zwischen Istrien und Kreta, das schließlich bis nach Zypern reichte. Es bildete das logistische Rückgrat der Schiffskonvois und des freien Handels,[2] sowie der Versorgung Venedigs mit Salz und dem Grundnahrungsmittel Weizen.

Neptun bietet Venedig Gaben, Giambattista Tiepolo 1748–50, Öl auf Leinwand, 135 × 275 cm, Dogenpalast

Die kommerzielle Revolution[3] mit ihren neuen Organisations-, Lebens- und Kulturformen führte zu einer zuvor nie gesehenen Dominanz des Wirtschaftlichen, des Rechenhaften (Max Weber) und der Kontrollmechanismen. Venedigs Handelstechniken, Gesellschaftsformen und Finanzierungsmethoden,[4] aber auch Mittel der Wirtschaftsförderung, sind der europäischen Entwicklung oft weit vorausgeeilt.

Kreuzzüge und die Eroberung Konstantinopels im Jahr 1204 öffneten für mehrere Jahrhunderte zugleich den direkten Handel bis tief nach Asien. Doch erforderten diese Handelsreisen, ebenso wie die Ausstattung der regelmäßigen Schiffskonvois, Kapitalmengen, die überwiegend als Kredite bereitgestellt wurden. Dabei verfügte nur der Adel[5] über das Recht, den Fernhandel zu betreiben – bekannt ist das Quasi-Monopol im Pfefferhandel.[6] Derselbe Adel monopolisierte auch die politische Führung.

Trotz der Dominanz des Zwischenhandels war der Schiffbau die herausragende „Industrie“ und der mit Abstand größte Arbeitgeber. Dazu kam im Spätmittelalter die Produktion von Tuch, Seide und Glas. Von größter Bedeutung waren ebenso der monopolisierte Salzhandel[7] und der Getreidehandel,[8] der nicht weniger als der gesamte restliche Handel zum Vermögen des Adels beitrug.[9]

Von Anfang an hatte sich Venedig scharfer Konkurrenz zu erwehren und lieferte sich allein mit Genua vier umfassende Kriege. In der Frühen Neuzeit verlor Venedig nach und nach seine Kolonien an die Osmanen und büßte seine Monopolstellung in der Adria ein. Zudem verdrängten Holländer und Engländer die venezianische Konkurrenz und die Portugiesen zogen den Gewürzhandel an sich. Darüber hinaus erschwerte der Protektionismus in den Staaten Europas und im Osmanenreich den Marktzugang.

So basierte die Regionalmacht am Ende überwiegend auf der Produktion von Luxusartikeln und der Agrarproduktion des oberitalienischen Festlands.

  1. Der Begriff ist hier nicht im modernen Sinne zu verstehen (vgl. Kapitalismus, Markt), wenn auch die Tauschbeziehungen gerade innerhalb Venedigs sehr früh und stark marktvermittelt waren.
  2. Mit „freiem“ Handel ist hier der nicht der Steuerung durch Vorschriften der Kommune und durch von der Kommune bestellte Schiffsführer unterworfene Handel gemeint, der auch außerhalb von Konvois fahren durfte.
  3. Diesen Begriff brachte Raymond de Roover 1942 in die Fachdiskussion, in: Ders.: The Commercial Revolution of the Thirteenth Century. Diskussionsbeitrag zu N. S. B. Grass: Capitalism – Concept and History, in: Business History Review 16 (1942) 34-39. Einen knappen Überblick bietet der Abschnitt Kommerzielle Revolution und Ausbreitung der Geldwirtschaft, in: Michael North: Das Geld und seine Geschichte, C. H. Beck, München 1994, S. 17–37.
  4. Zum Finanzmarkt vgl. Hans-Jürgen Hübner: Quia bonum sit anticipare tempus. Die kommunale Versorgung Venedigs mit Brot und Getreide vom späten 12. bis ins 15. Jahrhundert, Frankfurt u. a. 1998, ISBN 978-3-631-32870-5, S. 111–198, leicht überarbeitet online (ohne Anmm).
  5. In der Literatur wird der Stadtadel häufig als Patriziat bezeichnet, jedoch hat sich in der deutschsprachigen Literatur der Begriff Adel zur Bezeichnung der im Fernhandel tätigen und politisch führenden Familien weitgehend etabliert (Girgensohn, Rösch).
  6. Zu Monopolen im 15. Jahrhundert: Helmut Schippel: La storia delle privative industriali nella Venezia del '400, Venedig 1989.
  7. Vgl. die einschlägigen Arbeiten von Hocquet.
  8. Zuletzt: Fabien Faugeron: Nourrir la ville. Ravitaillement, marché et métiers de l'alimentation à Venise dans les derniers siècles du Moyen Age, Rom 2014.
  9. Hans-Jürgen Hübner: Quia bonum sit anticipare tempus. Die kommunale Versorgung Venedigs mit Brot und Getreide vom späten 12. bis ins 15. Jahrhundert, Frankfurt u. a. 1998, S. 132.

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