Grammatikalisierung

Grammatikalisierung (auch: Grammatikalisation) ist ein Prozess der sprachlichen Variation und des Sprachwandels, in dem ein sprachliches Zeichen schrittweise grammatischen Regeln unterworfen wird. Ein einfaches Zeichen wird so zum grammatischen Formativ (auch: Grammem oder Funktionswort), ein komplexes zu einer grammatischen und dann zu einer morphologischen Konstruktion. Z.B. ist haben sowohl ein lexikalisches Verb der Bedeutung „besitzen“ als auch ein Hilfsverb mit der Funktion, das Perfekt zu bilden. Letzteres tut es in einer Konstruktion, nämlich einer periphrastischen Verbform, die aus einer konjugierten Form von haben und einem Partizip Perfekt besteht, z. B. habe geschlafen. Am Ursprung dieser Bildung steht im Althochdeutschen eine syntaktische Konstruktion des Typs 'habe den Preis gewonnen' in der Bedeutung „habe den Preis, und zwar als gewonnenen“, wo haben noch seine lexikalische Bedeutung hat. Diese Konstruktion wird als ganze reanalysiert und grammatikalisiert, und dabei wird das Vollverb haben zum Hilfsverb grammatikalisiert. Der Ursprung der grammatikalisierten Konstruktion liegt in der Textbildung; der Ursprung des grammatikalisierten Formativs ist ein lexikalisches Wort. Die Bedeutung des betroffenen einfachen Zeichens wird dabei allgemeiner und formaler; sein Ausdruck wird häufig verkürzt. Da der Prozess graduell ist, kann auch ein bereits grammatisches Zeichen noch weiter grammatikalisiert werden. Der Endpunkt der Entwicklung ist sein Verschwinden.


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